Der Zufall wollte es, dass die Tradition der jährlichen Begnadigung eines Federviehs vor dem Thanksgiving-Fest mit dem Geburtstag des Hausherrn zusammenfiel. Eine Militärkapelle spielte, die Sonne blinzelte durch die Wolkendecke, und im Publikum saßen neben handverlesenen Gästen die Familien von Regierungsmitarbeitern.
Ein Heimspiel also und ein Wohlfühltermin für den von dramatischen Weltkrisen und schlechten Umfragen getriebenen Politiker. Doch die Reaktion des Publikums auf Bidens Eröffnungskalauer ließ erahnen, wie heikel die Stimmung selbst im liberalen Milieu für den nunmehr 81-Jährigen ist: Der Präsident erntete höfliche Lacher der Zuhörerinnen und Zuhörer, doch am lautesten dröhnte sein eigenes Lachen.
Ein Jahr vor den schicksalhaften nächsten Wahlen befinden sich die US-Demokraten in einem ernsten Dilemma: Ihr Präsident hat innenpolitisch deutlich mehr Projekte umgesetzt, als viele Beobachter erwartet hätten. Außenpolitisch hat er im Ukraine-Krieg Führungsstärke bewiesen und versucht derzeit unermüdlich, den Gaza-Krieg einzudämmen. Doch ausweislich der Erhebungen der Demoskopen würdigen die amerikanischen Wählerinnen und Wähler das nicht. In fünf von sechs wichtigen Swing States lag Biden kürzlich in einer Umfrage der New York Times hinter seinem mutmaßlichen Herausforderer Trump, und selbst in der ehemals klar linksliberalen Altersgruppe der unter 34-Jährigen hat ihn der republikanische Möchtegern-Autokrat inzwischen überholt.
Die Gründe für das Stimmungstief sind vielfältig: Die Amerikanerinnen und Amerikaner interessieren sich wenig für Außenpolitik und sind kriegsmüde. Das Wachstum der Wirtschaft und am Arbeitsmarkt wird für sie durch die Lasten der Inflation überlagert. Vor allem aber finden mehr als zwei Drittel der Befragten, dass Biden schlicht zu alt für eine weitere Amtszeit ist.
In seinem US Election Watch Report für November teilte das Meinungsforschungsinstitut Morning Consult mit, dass Trump auch bei wichtigen Wählergruppen, darunter Schwarze, Hispanoamerikaner und junge Amerikaner, an Boden gewinnt. "Im Laufe des Jahres 2023 hat Trump in unserem direkten Vergleich mit Joe Biden Boden gutgemacht, indem er seinen Rückstand bei solchen Gruppen, darunter auch Unabhängigen, verringert hat", hieß es.
Am Sonntag berichtete NBC, Bidens Zustimmungsrate habe mit 40 % ihren Tiefpunkt erreicht. Die Umfrage ergab, dass Biden zum ersten Mal in einem hypothetischen Duell bei den Parlamentswahlen hinter Trump zurückblieb, "obwohl das Defizit deutlich innerhalb der Fehlergrenze für einen Wettbewerb liegt, der mehr als 11 Monate entfernt liegt".
Zwar bestätigen Augenzeugen, dass der Präsident im Gespräch absolut präsent und scharf sei. Auch klingen seine Reaktionen auf Zurufe durch Reporter pointiert und schlagfertig. Doch schlurft der siebenfache Großvater beim Gehen. Er spricht leise und verhaspelt sich ziemlich oft. Manchmal verwechselt er Namen. Seine Anekdoten wiederholen sich und wirken leicht angestaubt – besonders, wenn sie in den Siebzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts spielen, als Biden seine politische Karriere im Senat begann.
Lange haben die politischen Berater versucht, diese Schwächen zu überdecken, indem sie den Präsidenten von den Medien möglichst fernhielten. Anders als Trump, der es trotz seiner hasserfüllten Tiraden gegen die "Fake News" genießt, von Kameras und Mikrofonen umringt zu sein, gibt Biden nur selten Pressekonferenzen. Seine jüngste in San Francisco nach dem Gespräch mit dem chinesischen Machthaber Xi Jinping verlief mittelprächtig: Offenbar unabgesprochen nannte er zum sichtbaren Missfallen seines Außenministers Antony Blinken den Gast aus Peking einen "Diktator".
Er zog 2021 als ältester US-Präsident aller Zeiten ins Weiße Haus ein. Bidens Alter und seine Eignung für eine erneute Präsidentschaftsbewerbung sorgen seit längerem für Debatten, auch in seiner eigenen Partei. Doch auch Trumps hohes Alter ist immer wieder Thema, da er nach der Wahl 2024 für die Republikaner wieder ins Weiße Haus einziehen will. Auch er verspricht sich immer wieder und verwechselt Personen.
Trump stichelt ausgerechnet an Joe Bidens 81. Geburtstag gegen seinen vier Jahre älteren Nachfolger im Amt. Trump veröffentlichte am Montag einen Brief, bei dem es sich um eine fachliche Einschätzung seines Arztes handeln soll, der ihm einen "ausgezeichneten" Gesundheitszustand attestiere. Die Veröffentlichung des Schreibens ist ein offenkundiges Wahlkampfmanöver des Republikaners, die Seriosität des Schreibens und der durchgeführten Untersuchungen fraglich.
In dem Brief werden weder das Gewicht des Präsidentschaftsbewerbers noch sein Blutdruck oder andere Testergebnisse genannt. Es heißt lediglich, der 77-Jährige habe sein Gewicht reduziert. Darüber hinaus schreibt sein Arzt, dass Trump aufgrund seines Interesses an präventiven Untersuchungen "auch in den kommenden Jahren einen gesunden, aktiven Lebensstil pflegen" werde.
Bidens Gesundheitscheck wurde zuletzt im Februar veröffentlicht. In dem fünfseitigen Bericht bescheinigte Bidens Arzt dem Demokraten zwar, in der Lage zu sein, die Aufgaben eines Präsidenten erfolgreich zu erfüllen. Allerdings wurde das ein oder andere Zipperlein aufgelistet - darunter ein steifer Gang und eine gastroösophageale Refluxkrankheit, wegen der er sich öfters räuspern müsse.
In den USA müssen Präsidenten regelmäßig offenlegen, wie es um ihre Gesundheit bestellt ist. Rechtlich ist das nicht vorgeschrieben; es ist aber zu einer Art Ritual geworden, um das kein Präsident herumkommt.
Firmengründung und Registrierung einer US Inc oder AG
Gleichwohl scheint im Weißen Haus inzwischen die Einschätzung zu dominieren, dass der Präsident präsenter und mehr er selbst sein solle. Auffällig viel Zeit nahm er sich schon vor zehn Tagen beim Abflug zu einem Wahlkampftermin. Geduldig arbeitete er die Reihe der wartenden Reporter ab, spielte jovial die jüngsten Umfrageergebnisse herunter und beantwortete bereitwillig selbst Fragen zum Nationalfeiertag in Angola.
An seinem Geburtstag nun nahm er selbst sein Alter aufs Korn. "Ich erinnere mich. Ja, ich erinnere mich", betonte er schmunzelnd bei der Begrüßung einer Schülergruppe, was man als kleine Anspielung auf seine gelegentliche Namensschwäche verstehen konnte. Als er später berichtete, die Tradition der Truthahnbegnadigung sei bereits vor 76 Jahren begonnen worden, schloss er freudig grinsend eilig an: "Ich war beim ersten Mal nicht dabei. Ich war zu jung."