Im Haus befanden sich neben den Brüdern ein Kind, mutmaßlich der Sohn von Wolfang W., und seine Mutter. In der Nacht zu Samstag haben Mutter und Kind das Haus verlassen.
Die Social-Media-Profile des festgenommenen Tatverdächtigen lassen darauf schließen, dass er dem Reichsbürgermillieu angehörte. Während über Wolfgang W. wenig im Internet zu finden ist, hat sich Eugen W. auf mehreren Portalen in den vergangenen Wochen immer radikaler gezeigt. Gegen Eugen W. wird nach Angaben der Staatsanwaltschaft wegen Verdachts auf Drogenhandel sowie Schusswaffenbesitz ermittelt, seit seiner Festnahme am Freitag sitzt er in Justizvollzugsanstalt. Nach Aussage eines Sprechers der Staatsanwaltschaft fanden die Beamten Cannabis "in nicht unerheblicher Menge" im Besitz von W.
Über Wolfgang W. hat das Ordnungs- und Verkehrsamt laut Michael Koch (CDU), Beigeordneter für Ordnung und Sicherheit in der Kreisverwaltung, allerdings kaum Informationen. "Meinem Dezernat liegen nach einer Abfrage im Ordnungs- und Verkehrsamt keine Erkenntnisse vor, dass die Person der Reichsbürgerszene zuzuordnen ist." Ebenso habe es keine Hinweise darauf gegeben, dass die Person große Mengen Waffen besessen hat.
Wie die "Märkische Allgemeine Zeitung" beobachtet hat, finden sich auf der Facebook-Seite von Eugen W. indes vielfache Hinweise auf Verschwörungserzählungen und prorussischer Propaganda.
Nach Informationen der "Märkischen Allgemeinen Zeitung" stammt W. aus Osteuropa und war möglicherweise als Russlanddeutscher nach Deutschland gezogen. Die Staatsanwaltschaft Potsdam wollte das weder bestätigen, noch dementieren. Screenshots von Chatverläufen zeigen, dass er Deutschland für seit Kriegsende 1945 besetztes Gebiet hielt. Am 23. Oktober schrieb der Verdächtige an den offiziellen Instagram-Account der Bundeswehr: "Haltet Eid ein und befreit endlich Vaterland in Grenzen 1945 (…) von Nato Besatzung." Dabei handelt es sich um eine klassische Reichsbürger-Behauptung. Die Bundesrepublik erlangte tatsächlich ihre Souveränität 1955 in den Pariser Verträgen wieder.
In einem Kommentar zu einem Foto zum Gedanken an die Opfer der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 bezeichnete Eugen W. Bundeskanzler Olaf Scholz als "SS-Nachkommen und Volksverräter". Auffällig ist: Alle Einträge auf den Facebook- und Instagram-Accounts von Eugen W. sind erst kürzlich geteilt worden – ab dem 14. Oktober 2023.
Eugen W. postete auch Waffen-Baupläne, etwa zum Maschinengewehr Kalaschnikow, einer Panzerfaust und einer 9-Millimeter-Pistole, sowie ein Interview mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Zudem posiert er auf einigen Fotos mit Bodybuilding-Equipment beziehungsweise einem Baseballschläger vor der russischen und der deutschen Flagge. In anderen Posts äußerte er sich kritisch zu Corona-Impfungen und Schutzmasken und vertrat gesundheitsfördernde Wirkung von Cannabis.
Als Beziehungsstatus hat Eugen W. bei Facebook "Single" eingetragen. Laut "B.Z." soll Eugen W. bis vor einiger Zeit mit Frau und drei Kindern in dem Haus in der Gemeinde Milower Land im Ortsteil Vieritz gelebt haben. Vor einiger Zeit soll seine Frau mit den Kindern ins Frauenhaus geflüchtet sein, schreibt die Zeitung.
Die Staatsanwaltschaft Potsdam wollte die Zugehörigkeit der Brüder zur Reichsbürgerszene weder bestätigen noch dementieren. Inwiefern der tot aufgefundene Wolfang W. das Gedankengut des Bruders teilte, lässt sich nicht nachvollziehen. Die Brüder wohnten zusammen in einer ehemaligen Gaststätte Ein historisches Foto des Hauses findet sich auf der Facebook-Seite von Eugen W.
Der Leichnam von Wolfgang W. wurde bereits am Sonntag obduziert. Details dazu wurden noch nicht bekanntgegeben. Am Tatort wurden Schusswaffen und eine Handgranate sichergestellt. Auch am Montag untersuchten Kampfmittelexperten den Tatort und das Haus nach weiteren Waffen und nach Sprengstoff.
Licht ins Dunkel bringt nun teilweise Dietmar Menzel, Leiter des Staatlichen Schulamtes in Neuruppin. Nach Medienberichten war der Polizeieinsatz erfolgt, weil das Jugendamt den Sohn des Täters in Obhut nehmen wollte. Und zwar, weil der Junge nicht zum Schulunterricht angemeldet worden sei. Aber auch von Kindeswohlgefährdung ist die Rede.
Dietmar Menzel bestätigt: "Es ist richtig, dass ein Junge nicht zum Schulbesuch angemeldet wurde. Das zuständige Staatliche Schulamt Neuruppin hat den Vater schriftlich zur Anmeldung des Kindes aufgefordert, und dann in einem weiteren Schreiben ein Zwangsgeld angedroht." Weil W. nicht weiter reagierte, wurde das Zwangsgeld festgesetzt. Ob die Maßnahme bezahlt wurde, geht aus der Mitteilung von Menzel nicht hervor. Das Schulamt reagiere in solchen Fällen auf Grundlage von Vorschriften des Schulgesetzes.
Demnach müssen Eltern oder Erziehungsberechtigte ihr Kind bei der Schule anmelden und ferner dafür sorgen, dass sein Sprachstand festgestellt werden kann. Außerdem müssen Kinder einen Sprachförderkurs besuchen. Kommt ein Kind der Schulpflicht nicht nach, werden die Eltern auf die Folgen hingewiesen. Bestenfalls lassen sie sich beraten. Falls das nicht weiter hilft, wird das Zwangsgeld festgesetzt.
Tatsächlich können Kinder, die der Schulpflicht nicht nachkommen, zwangsweise in die Schule gebracht werden. Diese Entscheidung treffe das Schulamt im Benehmen mit der Schule, erklärt Menzel. Im vorliegenden Fall sei das aber offenbar nicht der Fall gewesen.
"Die Inobhutnahme eines Kindes ist die Entscheidung des Jugendamtes und nicht die des Schulamtes. Die genauen Gründe dafür sind uns nicht bekannt", so Menzel. Der Polizeieinsatz kam auf Beschluss des Amtsgerichtes und angeregt vom Jugendamt zustande. Das zuständige Jugendamt des Landkreises Havelland reagierte bislang nicht auf die Anfrage, warum das Kind in Obhut genommen werden sollte. Die Maßnahme gilt als weitreichender Eingriff, der erst nach einer Reihe von Maßnahmen bei Verdacht auf Gefährdung des Kindeswohl vorgenommen wird.
Wie der Landkreis am Montag mitteilte, waren im Jugendamt mehrere Anzeigen eingegangen, die den Eindruck vermittelten, dass in dem Haus das Wohl eines Kindes gefährdet sei. Der Allgemeine Soziale Dienst (ASD) des Kreises wollte die Situation vor Ort prüfen. Die Eltern hätten aber keinen Kontakt oder Hausbesuche zugelassen und seien auch keiner Einladung gefolgt, heißt es in einer Mitteilung des Landkreises Havelland am Montag. In diesen Fällen wende sich das Jugendamt an das Familiengericht.
Daraufhin wurde auf juristischem Wege versucht, mit den Eltern ins Gespräch zu kommen. Es wurden verschiedene Anhörungstermine festgesetzt, die alle verstrichen, ohne dass die Eltern erschienen. Die Folge war, dass das Familiengericht den Eltern das Sorgerecht entzog. Die Richter gingen von einer dringenden Kindeswohlgefährdung aus. Mit einem Beschluss legte das Gericht fest: Das Kind ist an einen Amtsvormund abzugeben.
Inzwischen war bekannt, dass der Vater möglicherweise gewalttätig werden könnte. Darum sollte der Beschluss in Abstimmung mit der Polizei umgesetzt werden. Nach einer Einsatzbesprechung übernahm die Polizei die Einsatzführung. Das Kind konnte gemeinsam mit der Mutter am Freitag das Haus verlassen. "Dem Kind geht es aktuell den Umständen entsprechend gut", heißt es in der Mitteilung des Landkreises Havelland.
Landrat Roger Lewandowski (CDU) hielt sich wegen einer Dienstreise am Wochenende in Würzburg auf, sei aber eigenen Angaben immer auf dem neuesten Stand gewesen. Der Dezernent für Jugend und Soziales habe ihn informiert. "Auch über den Zustand der Mutter und des Kindes. Ich bin sehr froh, dass Mutter und Kind, aber auch alle Vieritzer körperlich unbeschadet aus dieser Situation gekommen sind", so Lewandowski. "Was in Vieritz passiert ist, ist kaum in Worte zu fassen. Vieritz ist ein kleines beschauliches havelländisches Dorf, was leider zum Schauplatz einer menschlichen Tragödie wurde."
Michael Koch (CDU), Beigeordneter für Ordnung und Sicherheit in der Kreisverwaltung, war am Sonnabend vor Ort. "Ich habe am Samstagabend eine ruhige und vor allem hochprofessionell organisierte Lage vorgefunden. Die Einwohner von Vieritz gingen sehr gefasst mit der Situation um." Der Landkreis unterstützte den Polizeieinsatz mit der Verpflegung, ebenso war der Rettungsdienst vor Ort.