Ziel ist es unter anderem, mehr Familien, die Anspruch auf Leistungen haben, durch mehr Übersicht und einfachere Antragswege zu erreichen. "Die Unterstützung von Familien wird einfacher, gerechter und zugänglicher", sagte Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann. Sie erhielten mit der Kindergrundsicherung endlich die Leistung, die ihnen zustehe. "Gerade Familien mit geringem Einkommen beantragen häufig aus Unkenntnis Unterstützung nicht."
So erreicht etwa der heutige Kinderzuschlag in Höhe von maximal 250 Euro im Monat nach Schätzungen des Bundesfamilienministeriums etwa jedes dritte anspruchsberechtigte Kind nicht. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) spricht im Zusammenhang mit der Kindergrundsicherung daher auch vom "Einstieg in die Bekämpfung strukturell verfestigter Kinderarmut".
Konkret ist folgendes geplant: Ein sogenannter Garantiebetrag wird für alle Kinder ausgezahlt. Er löst das heutige Kindergeld (aktuell 250 Euro pro Monat) ab. Kinder, die erwachsen sind, aber noch studieren oder in der Ausbildung sind, sollen diesen Garantiebetrag direkt bekommen - anders als das Kindergeld heute, das in der Regel an die Eltern geht. Zu diesem Garantiebetrag hinzu kommt je nach Bedürftigkeit ein Zusatzbeitrag, nach Alter gestaffelt und je nach Einkommenssituation der Eltern. Je weniger sie verdienen, desto höher soll er ausfallen.
Als zentrale Anlaufstellen zuständig sein sollen die heutigen Familienkassen der Bundesagentur für Arbeit (BA), die schon für das Kindergeld zuständig sind. Sie sollen künftig "Familienservice" heißen und Eltern künftig auch aktiv auf Leistungen hinweisen, die ihnen zustehen. Die Beantragung soll vollständig online möglich sein. Paus will die Pläne nach der Kabinettssitzung in Berlin vorstellen. Sie und Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatten lange und hart über die Finanzierung gestritten.
Den Grünen war und ist neben einer Zusammenlegung von Leistungen besonders wichtig, dass diese auch erhöht werden. Die FDP ist eher in Sorge um die Staatsfinanzen und immer höhere Ausgaben und verweist darauf, dass bereits deutliche Anhebungen beim Bürgergeld und Kindergeld in Kraft sind. Paus hatte zuerst 12 Milliarden Euro im Jahr für die Kindergrundsicherung gefordert, Lindner hatte 2 Milliarden Euro veranschlagt.
Geeinigt hat man sich nun laut Gesetzentwurf auf folgenden Finanzrahmen: Für das Startjahr 2025 werden wegen der Kindergrundsicherung Mehrausgaben von etwa 2,4 Milliarden Euro eingeplant. Bei steigender Inanspruchnahme durch die geplante bessere Übersichtlichkeit könnten die jährlichen Mehrkosten auf bis zu 6 Milliarden Euro im Jahr 2028 anwachsen.
Wie beim Bürgergeld wird es regelmäßige automatische Anpassungen nach oben entsprechend der Preisentwicklung im Land geben. Daher sind die Mehrausgaben und die genaue Höhe der Kindergrundsicherung heute noch nicht genau zu beziffern. Paus hatte im August Summen zwischen 530 Euro (für Kinder bis sechs Jahren) bis 636 Euro (für die ältesten Kinder) genannt. Das waren aber nur Schätzwerte. Die genauen Beträge hängen von der Preisentwicklung bis zur Einführung der Leistung ab und vom Einzelfall, je nach Einkommenssituation der Familie.
Wohlfahrts- und Kinderschutzverbände zeigten sich unzufrieden mit den Gesetzesplänen. Sie hätten sich deutlich mehr Geld gewünscht. Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Ulrich Schneider, sagte: "Die sogenannte Kindergrundsicherung der Ampel ist schon vor ihrem Beginn an ihrem wichtigsten Ziel, der Bekämpfung von Kinderarmut, gescheitert". Diakonie-Präsident Ulrich Lilie sagte der dpa, mit der "Schmalspurvariante der Kindergrundsicherung" werde es nicht gelingen, Kinderarmut ausreichend zu reduzieren.
Bis zur geplanten Einführung 2025 sind noch einige Hürden zu nehmen. Das Vorhaben ist komplex: Die Zusammenlegung der verschiedenen Leistungen zieht Änderungen in unterschiedlichen Bereichen der Verwaltung, Sozial- und Steuergesetzgebung nach sich. Die BA hatte in einer Stellungnahme eine Einführung Anfang 2025 zuletzt als "unrealistisch eingeschätzt". Nach dem Kabinett müssen Bundestag und Bundesrat zudem erst noch zustimmen. Der Präsident des Deutschen Kinderhilfswerks, Thomas Krüger, äußerte die Befürchtung, dass die Kindergrundsicherung im weiteren Verfahren in Bundestag und Bundesrat "zusammengestrichen" wird.
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