So sagte der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, André Wüstner: "Innerhalb der Bundeswehr hat die Ankündigung von Boris Pistorius überrascht. Es gibt eine Menge konzeptioneller Fragen, angefangen beim fehlenden Material, notwendigen strukturellen Anpassungen und schließlich, wie sich diese Ankündigungen unmittelbar auf Soldatinnen und Soldaten von Heer, Streitkräftebasis und Sanitätsdienst sowie auf deren Familien auswirken." Am Mittwoch kam Pistorius in den Verteidigungsausschuss des Bundestages, um seinen Plan den Abgeordneten und später den Journalisten zu erläutern. Auch jetzt sind nicht alle Fragen beantwortet.
Der Grund für die Initiative leuchtet vielen ein: Litauen fühlt sich seit dem russischen Angriff auf die Ukraine mehr denn je bedroht. Das kleine Land ist eingekeilt zwischen der russischen Exklave Kaliningrad und dem russischen Verbündeten Belarus. Zudem ist die heimische Armee nicht mal 20.000 Köpfe stark. Litauens Regierung fordert daher seit Längerem, dass die Bundeswehr sich dort permanent niederlässt – so wie es einst die Briten in Pistorius‘ Heimatstadt Osnabrück taten. Denn Deutschland ist von der Nato als Schutzmacht auserkoren. Nur: Die Herausforderung ist enorm.
Der Minister nannte am Mittwoch Details. So soll es sich um "eine schwere Kampfbrigade des deutschen Heeres" von 3500 Frauen und Männern handeln, also nicht mehr um 4000. Sie soll aus bereits in Deutschland bestehenden Elementen aufgestellt sein, und diese sollen in Litauen zusammengeführt werden. Es gehe nicht darum, eine bestehende Brigade eins zu eins nach Litauen zu verlegen, beteuerte Pistorius.
Ein Vorkommando werde bis Mitte kommenden und ein Aufstellungsstab bis Ende kommenden Jahres in das Land verlegt, fuhr er fort. Bis dahin solle "eine niedrige dreistellige Zahl an Soldaten" in Litauen sein. 2025 wird Pistorius zufolge die Brigade formell in Dienst gestellt, versehen mit einem Kommandeur. Das bedeute jedoch immer noch "nicht, dass bis dahin eine Brigade mit 3500 Soldatinnen und Soldaten in Litauen sichtbar sein wird. Das wird definitiv nicht der Fall sein", sagte er. Im Übrigen sei man "in sehr guten Gesprächen" über eine Beteiligung Norwegens und der Niederlande "mit kleineren Einheiten". Die Brigade soll also nicht komplett von der Bundeswehr kommen müssen.
So bleibt ungewiss, wann sie tatsächlich einsatzbereit ist. Wie viele Angehörige der Bundeswehr zu dem Ortswechsel bereit sind, ist ebenso unklar – und was passiert, falls sich nicht genügend qualifizierte Bewerber finden. "Freiwilligkeit bleibt das erste Prinzip", sagte Pistorius. "Aber am Ende zählt das Ergebnis." Zwang wäre demnach nicht ausgeschlossen.
Der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Florian Hahn, äußerte entsprechend Kritik. Man unterstütze die Idee grundsätzlich, sagte der CSU-Politiker. "Aber sie muss auch funktionieren. Und hier haben wir einige Zweifel." Ob es am Ende Marschbefehle gegen den Willen der Truppe geben werde, bleibe nicht minder offen "wie der Standard, den unsere Soldaten in Litauen erwarten dürfen". Hahn befürchtet ferner, dass die ohnehin knappe Ausrüstung der Bundeswehr nicht ausreichen wird, und fragte schließlich: "Wo kommt eigentlich das Geld her?" Es sei mit einem Mehrbedarf von bis zu 6 Milliarden Euro zu rechnen – Geld, das im Haushalt nicht auftauche.
Klar ist nach Angaben des Verteidigungsministers unterdessen eines: "die Dynamik und die Energie" der Verantwortlichen in dem kleinen Staat im Baltikum, die die Brigade unbedingt wollen und längst mit Baggern und Planierraupen zugange seien. "Das Engagement auf litauischer Seite könnte nicht größer sein", sagte Pistorius. Ein Zurück gibt es jedenfalls nicht mehr.