Tatsächlich registrierte das Bundeskriminalamt (BKA) im vergangenen Jahr mit bundesweit rund 65.900 Wohnungseinbrüchen den ersten Anstieg an Fällen seit acht Jahren. Zuvor waren die Zahlen stetig zurückgegangen: von etwa 167.100 Fällen (2015) auf rund 54.200 (2021). Trotz des Anstiegs der Fälle 2022 im Vergleich zum Vorjahr liegt das Niveau aber immer noch unter dem von 2019 (etwa 87.100 Einbrüche), als es noch keine Covid-Pandemie gab. Dem BKA zufolge gibt es außerdem im Winterhalbjahr mehr Wohnungseinbrüche als im Sommerhalbjahr. Von September 2021 bis Februar 2022 waren es knapp 35.000 Fälle, während es von März bis August 2022 etwa 28.000 waren.
Das BKA führte den kontinuierlichen Rückgang der Zahlen bis 2021 auf umfangreiche präventive und repressive polizeiliche Bekämpfungsmaßnahmen zurück. Genau die müssten nun wieder intensiviert werden, fordert Kopelke. "Als es auf dem Maximum der Taten und auch in der öffentlichen Wahrnehmung sehr präsent war, haben die Polizeien ganz viele Ermittlungsgruppen gebildet, Schwerpunktkontrollen durchgeführt und versucht, flüchtende Täter an Grenzen oder Autobahnabfahrten abzufangen. Es wurden technische Instrumente ausprobiert. Das ist alles zurückgefahren worden, weil die Ressourcen nicht ausreichen, um das jetzt auch noch zu betreiben." Es brauche nun eine neue Strategie.
"Wir wünschen uns viel mehr Technik, wie man sie bereits in anderen angloamerikanischen Ländern oder den USA sieht", sagt er und nennt das Stichwort "predictive policing", was auf Deutsch "vorhersagende Polizeiarbeit" bedeutet. Andere Länder setzten bereits mehr auf Softwares und künstliche Intelligenz, während Deutschland darin datenschutzrechtliche Probleme sehe.
Es habe zwar aufschlussreiche Pilotphasen in Nordrhein-Westfalen und Hamburg mit solchen Techniken gegeben. "Aber im Moment benutzt man diese technischen Möglichkeiten nicht so ausgereift, wie man es könnte, sondern nur, um einen warnenden Effekt in der Bevölkerung herzustellen", sagt Kopelke und nennt das Beispiel eines Einbruchradars, bei dem man zurzeit sehen könne, in welchen Stadtteilen in den vergangenen Tagen eingebrochen wurde. "Dabei kann man technisch auch schon sehr gut voraussagen, wann und zu welcher Zeit welcher Straßenzug in der Zukunft betroffen sein könnte. Das sind Techniken, die schon teilweise erfolgreich erprobt sind und in anderen Ländern genutzt werden."
Wenn zum Beispiel nicht mehr Menschen irgendwelche Papierberge durchwühlen müssen, sondern ein Computer das in Sekundenschnelle macht, setzt das personelle Ressourcen frei, die man in Präventionsarbeit stecken könnte.
Jochen Kopelke, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei
Er sieht große Vorteile im Einsatz etwa von künstlicher Intelligenz: "Wenn zum Beispiel nicht mehr Menschen irgendwelche Papierberge durchwühlen müssen, sondern ein Computer das in Sekundenschnelle macht, setzt das personelle Ressourcen frei, die man in Präventionsarbeit stecken könnte, in Streifen in Straßenzügen, Gespräche mit Bewohnern. In all diese menschliche Komponenten."
Genau die seien der Erfolgsfaktor gewesen, als in den vergangenen Jahren die Zahlen zurückgingen. "Der Erfolgsfaktor bestand auch darin, dass Polizisten zu Menschen gegangen sind und ihnen erklärt haben, warum es nicht so schlau ist, ihr Fenster auf Kipp offen zu lassen. Das klingt banal, aber genau diese bürgernahe Arbeit hat damals große Erfolge gebracht", sagt Kopelke. "Das sind die bürgernahen Elemente, die uns gerade verloren gehen, weil wir Versammlungen begleiten und die Ermittlungsdienststellen überwiegend Terrorismus und Schwerstdelikte bekämpfen."
In dem Zusammenhang kritisiert er auch den Umgang der Politik mit dem Thema. "Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Politik sagt, alles sei wie jedes Jahr im Herbst, und die Polizei kümmere sich um Einbruchskriminalität. Dabei hat sich die gesamte Arbeit der Polizei verändert aufgrund der aktuellen Lage: Israel, Ukraine, aber auch grenzpolizeiliche Aufgaben oder Cyberkriminalität." Es fehlten die Kapazitäten für Prävention von Alltagskriminalität wie Einbrüchen.