Die gestiegenen Energie- und Lebenshaltungskosten treffen Studien zufolge Menschen mit niedrigerem Einkommen besonders hart. Wenn es lange Wartezeiten gebe, erhöhe sich der Druck auf die Betroffenen, berichtete Moers. "Wir erleben, dass Menschen mit Schuldenproblemen zu privaten, kostenpflichtigen Beratern gehen, darunter sind teilweise auch unseriöse Anbieter. Den Betroffenen wird in einer Notlage auch noch Geld aus der Tasche gezogen".
Die Zahl der offenen Stellen ist den Angaben zufolge bei den bundesweit etwa 1400 Beratungsstellen deutlich gestiegen. Fachkräfte mit Zusatzausbildung seien selbst über den spezialisierten Stellenmarkt des Verbands kaum zu finden. Moers verweist auf Daten der Bundesagentur für Arbeit, wonach zum Stichtag 10. Mai rund 13 600 offene Stellen für Sozialarbeiter gemeldet waren. Die Schuldnerberatung ist klassischerweise ein Feld der Sozialarbeit. Genaue Daten, wie viele Stellen in anerkannten Beratungsstellen bundesweit fehlen, gibt es Moers zufolge nicht. Die Berufsbezeichnung "Schuldnerberater/Schuldnerberaterin" ist in Deutschland nicht geschützt. Einen Grund für den Personalmangel sieht Moers in der aus Sicht des Verbandes nicht angemessenen Bezahlung bei vielen Trägern der Beratungsstellen. Das liege vor allem an den seit Jahren unveränderten Leistungsvereinbarungen mit den Kommunen, die es gerade freien Trägern schwer machten, Lohnsteigerungen umzusetzen. Bei kirchlichen Trägern sehe es in Sachen Gehalt besser aus.
Die Probleme könnten sich noch verschärfen. Der Informationsdienstleister Crif rechnet angesichts der hohen Inflation mit erheblichen Problemen bei einkommensschwachen Haushalten und in der Folge mit bis zu 100.000 Privatinsolvenzen im laufenden Jahr nach 96 321 im vergangenen Jahr. "Durch die weiter steigenden Kosten ist eine Verschuldungswelle in Deutschland möglich", sagte Crif-Geschäftsführer Frank Schlein unlängst. "Wenn die Kosten stark steigen, wird es für Personen, die schon bislang am Existenzminimum leben, schwierig." Bei vielen seien auch die finanziellen Reserven nach der Corona-Zeit aufgebraucht. Geschätzt gelten etwa sechs Millionen Menschen in Deutschland als überschuldet. Von Überschuldung spricht man, wenn Einkommen und Vermögen auch bei einem reduzierten Lebensstandard nicht mehr ausreichen, Verbindlichkeiten zu tilgen.
Fast ein Drittel der Beschäftigten in Deutschland stößt nach eigenen Angaben wegen der deutlich gestiegenen Preise an finanzielle Grenzen. Von gut 1000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern antworteten in einer Yougov-Umfrage im Auftrag der Postbank 21 Prozent, ihr Gehalt reiche "eher nicht", um die laufenden Lebenshaltungskosten zu bezahlen. 8,5 Prozent sagten, das Geld reiche "überhaupt nicht" aus. Vor allem Befragte mit einem monatlichen Haushaltsnettoeinkommen von unter 2500 Euro kommen demnach kaum über die Runden: 43 Prozent in dieser Gruppe gaben an, sie könnten mit ihrem aktuellen Gehalt nicht die laufenden Lebenshaltungskosten bezahlen.
dp/fa