Am heutigen Sonntag finden in Thüringen und Sachsen richtungsweisende Landtagswahlen statt. Die Wahllokale öffneten um 8 Uhr, und die Ergebnisse dieser Wahlen werden als entscheidender Stimmungstest vor der Bundestagswahl 2025 angesehen. Vor allem die AfD könnte in beiden Bundesländern laut Umfragen auf Rekordergebnisse um die 30 Prozent der Stimmen hoffen. Obwohl die Partei möglicherweise als stärkste Kraft hervorgeht, ist es aufgrund fehlender Koalitionspartner unwahrscheinlich, dass sie Regierungsverantwortung übernehmen kann. Eine schwierige Koalitionsbildung wird erwartet, bei der das neu gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) eine Schlüsselrolle spielen könnte. Während in Sachsen Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) Chancen auf eine weitere Amtszeit hat, muss Thüringens Regierungschef Bodo Ramelow (Linke) um seinen Posten bangen. Den Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP droht in beiden Ländern ein Wahldebakel.
Thüringen und Sachsen haben zusammen rund 6,2 Millionen Einwohner, was nur einen kleinen Teil der deutschen Gesamtbevölkerung von etwa 84 Millionen ausmacht. Politisch unterscheiden sich die beiden Länder: Während die CDU in Sachsen seit 1990 regiert, führt seit 2014 in Thüringen mit Bodo Ramelow erstmals die Linke eine Landesregierung. Dennoch erhalten die Wahlen in diesen ostdeutschen Bundesländern außergewöhnlich viel Aufmerksamkeit. 34 Jahre nach der Wiedervereinigung wächst die Unzufriedenheit vieler Ostdeutscher mit den etablierten Parteien und dem Funktionieren der Demokratie.
In Thüringen führte ein hitziger Wahlkampf um Bildung, Wirtschaft, den Ukraine-Krieg und Migration zu einem intensiven Wettbewerb. Die AfD, die vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft wird, könnte mit etwa 30 Prozent der Stimmen erstmals als stärkste Partei in einen Landtag einziehen. Ihr Landeschef Björn Höcke, eine umstrittene Persönlichkeit, hat in den Umfragen die CDU mit 22 Prozent und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) mit 17 Prozent überholt. Ramelows Linke liegt bei 14 Prozent, während die SPD und die Grünen nur auf 7 bzw. 4 Prozent kommen. Die rot-rot-grüne Minderheitsregierung hat keine Mehrheit mehr in Sicht, und neue Koalitionen werden erforderlich sein.
CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt und BSW-Kandidatin Katja Wolf haben beide Interesse am Amt des Ministerpräsidenten. Wahrscheinlich werden sie sich mit der SPD zusammentun müssen, um eine Regierungsmehrheit ohne die AfD zu erreichen. Die AfD könnte jedoch durch ein starkes Abschneiden in wichtigen Fragen eine Sperrminorität erlangen, die es ihr ermöglicht, entscheidende Entscheidungen wie Richterwahlen zu blockieren.
Auch in Sachsen ist die politische Lage angespannt. Die CDU liegt mit 33 Prozent der Zweitstimmen knapp vor der AfD mit 31 Prozent. Das Bündnis Sahra Wagenknecht kommt auf 12 Prozent, während SPD und Grüne mit 7 bzw. 6 Prozent im Landtag vertreten wären. Die Linke droht, mit nur 3 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde zu scheitern, könnte aber mit zwei Direktmandaten den Einzug schaffen. Ministerpräsident Michael Kretschmer strebt eine Fortsetzung des Regierungsbündnisses aus CDU, Grünen und SPD an, schließt aber auch eine Zusammenarbeit mit dem BSW nicht aus.
AfD-Chef Tino Chrupalla erklärte, seine Partei wolle Regierungsverantwortung übernehmen. Doch selbst wenn sie die Mehrheit erreicht, wird eine Zusammenarbeit mit anderen Parteien abgelehnt. Die aktuelle Stimmung in Sachsen und Thüringen wird auch als Test für die Ampelkoalition in Berlin gesehen, die im kommenden Jahr vor der Bundestagswahl steht.
Der Erfolg von AfD und BSW stellt die etablierten Parteien vor erhebliche Herausforderungen. Beide Parteien sind migrationsfeindlich, europaskeptisch und russlandfreundlich, was sie besonders im Osten Deutschlands beliebt macht. Die Unzufriedenheit vieler Wähler mit der aktuellen Bundespolitik und wirtschaftliche Sorgen treiben den Erfolg der populistischen Parteien voran. Die AfD, die sich als "Volkspartei" im Osten sieht, profitiert von den Ängsten vor steigenden Lebenshaltungskosten, Migration und dem Ukraine-Krieg.
Erste Prognosen werden mit der Schließung der Wahllokale um 18 Uhr erwartet. Die Wahlen könnten ein politisches Erdbeben in Berlin auslösen, da die Bundesregierung von internen Machtkämpfen und sinkenden Zustimmungswerten geplagt wird. Die Ergebnisse der Landtagswahlen könnten weitreichende Auswirkungen auf die politische Landschaft Deutschlands haben und das politische Klima vor der Bundestagswahl 2025 weiter aufheizen.