Statt goldenem Herbst war Anfang Oktober eher Spätsommer, die Blätter an den Bäumen oftmals noch grün, die kurze Hose noch ein festes Modeaccessoire. Der Herbst wurde offensichtlich einfach übersprungen – auf Sommer folgte Winter, und das in Rekordzeit. Ein Phänomen, das sich schon in den vergangenen Jahren immer wieder beobachten ließ. Der milde Herbst, wie wir ihn mal kannten, scheint irgendwie verschwunden zu sein.
Andreas Walter vom Deutschen Wetterdienst (DWD) sieht tatsächlich einen Trend. "Wir beobachten schon, dass die Übergangsjahreszeiten spürbar kürzer werden", sagt er. Das gelte nicht nur für den Herbst, sondern auch für den Frühling. "Gerade friert es noch und plötzlich sind es 20 Grad – oder andersrum." Handfeste Analysen dazu gebe es aber noch keine, sagt Walter – es sei auch schwierig, dieses Phänomen zu erfassen. Für eine statistische Analyse bräuchte es erst mal handfeste Kriterien.
Was durchaus Aufschluss geben kann, ist die sogenannte phänologische Uhr, die der DWD erstellt. Diese erfasst typische Merkmale der Jahreszeiten in der Natur – also etwa, wann die Stieleiche ihre Blätter verfärbt oder der Holunder Früchte trägt. "Und da sieht man eine deutliche Verschiebung in den vergangenen Jahren", sagt Walter. Klar zu erkennen sei etwa, dass der Winter kürzer werde und damit die Ruhephase der Vegetation. Eine Verkürzung der Übergangszeiten, wie etwa dem Herbst, sei anhand dieser Daten aber noch nicht eindeutig zu erkennen.
Dass sich unser Herbst verändert, darüber geben aber auch andere Daten schon Aufschluss. Eine Studie der ETH Zürich etwa kam jüngst zu dem Ergebnis, dass die Verfärbung der Blätter inzwischen früher einsetzt, sodass schon im Spätsommer braune Blätter an den Bäumen zu finden sind. Gleichzeitig schreitet sie aber auch langsamer voran.
Hintergrund sei, dass die frühe Phase des Sommers heißer ist. Die Folge: Die schönen Rot- und Gelbtöne, die mit dem goldenen Herbst assoziiert werden, fehlen immer öfter – stattdessen führten die Schäden an den Blättern eher zu einer braunen Farbe. Dass das aktuelle Ausbleiben des Herbstes mit dem Klimawandel zu tun hat, ist möglich, sagt Andreas Walter – es lasse sich aber nicht mit Bestimmtheit sagen. "Es kann auch die natürliche Klimavariabilität sein", sagt der DWD-Experte. Um eine präzise Aussage treffen zu können, müsste das Phänomen genauer und über einen längeren Zeitraum untersucht werden.
Klar ist für den Meteorologen aber: Die Wetterlage in den vergangenen Tagen sei durchaus "markant" gewesen. Insbesondere die hohen Temperaturen Anfang Oktober seien ganz und gar nicht normal – und ein Zeichen dafür, dass auch der Klimawandel eine Rolle spielen könnte. "Wir hatten in Teilen von Brandenburg vor wenigen Tagen noch Tropennächte, also Temperaturen nicht unter 20 Grad", sagt Walter. Das könne im August vorkommen, vielleicht im September – aber im Oktober seien solche Temperaturen eigentlich vorbei.
Dass sich der Herbst spürbar verändert, bemerkt auch Janina Lersch vom "Wetterkontor" in Rheinland-Pfalz. Der plötzliche Temperatursturz, den wir nun spüren, sei aber vermutlich kein Klimawandelphänomen – da sind sich beide Experten einig. Große Temperatursprünge könne es auch so immer wieder mal geben. Zu erklären sei der aktuelle Wetterumschwung mit kalter Luft aus Skandinavien, erklärt Lersch. In den warmen Oktobertagen habe es über dem Mittelmeerraum einen hohen Luftdruck gegeben – die ungewöhnlich warme Strömung kam auch nach Deutschland.
Vor ein paar Tagen habe sich dann ein Hochdruckgebiet über dem Atlantik gebildet, das zum Teil über den britischen Inseln hing. An der Ostseite dieses Hochdruckgebietes ströme wiederum kühle Luft aus Skandinavien vorbei. "Als es richtig kalt wurde, hatten wir eine Konstellation aus einem Hochdruckgebiet über den britischen Inseln und kalter Luft aus Skandinavien. Das hat den Temperatursturz möglich gemacht", sagt Lersch.
Beide Experten sind sich einig, dass sich die Temperaturen auch noch mal einpendeln können. "Aktuell ist alles möglich", sagt Lersch. "Wenn wir noch mal einen Schwall Warmluft aus Süden oder Südwesten bekommen, dann sind vielleicht noch mal 20 Grad drin", sagt auch Andreas Walter. Temperaturen von mehr als 25 Grad, wie zuletzt Anfang Oktober, seien nun aber vermutlich vorbei, sagt der Experte. Dafür habe die Sonne im Herbst auch irgendwann keine Kraft mehr.