Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat bei Gesprächen in Deutschland erneut eindringlich um zusätzliche Waffenlieferungen von den westlichen Verbündeten gebeten. Bei der Eröffnungssitzung der Ukraine-Kontaktgruppe auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz betonte Selenskyj die Notwendigkeit, die russischen Truppen von ukrainischem Boden zu vertreiben, insbesondere aus dem umkämpften Gebiet Donezk. "Wir brauchen mehr Waffen, um die russischen Truppen von unserem Territorium zu vertreiben und besonders aus dem Gebiet Donezk", sagte Selenskyj.
Selenskyj forderte insbesondere Waffen mit größerer Reichweite, um nicht nur die besetzten Gebiete der Ukraine, sondern auch russisches Territorium erreichen zu können. "Wir brauchen diese Mittel (...) nicht nur für die besetzten Gebiete der Ukraine, sondern auch für die russischen Gebiete, um Russland zu motivieren, um Frieden zu ersuchen", erklärte er. Der ukrainische Präsident betonte, dass es notwendig sei, die russischen Städte und Soldaten dazu zu bringen, über den Wunsch nach echtem Frieden nachzudenken.
Bei der Konferenz waren neben Selenskyj auch der US-Verteidigungsminister Lloyd Austin und der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) anwesend. Austin hatte die Mitglieder der Kontaktgruppe, die etwa 50 Staaten umfasst, zu dem Treffen eingeladen, um über weitere Unterstützung für die Ukraine zu beraten.
Nach der Sitzung in Ramstein war geplant, dass Selenskyj nach Frankfurt am Main reist, um sich mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zu einem Vier-Augen-Gespräch zu treffen. Es handelt sich um Selenskyjs fünften Besuch in Deutschland seit Beginn des Krieges. Zuletzt hatte er im Juni im Deutschen Bundestag gesprochen. Am Abend wurde er in Italien erwartet, wo er an einem Wirtschaftsforum teilnehmen und Gespräche mit der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni führen möchte.
In seiner Rede in Ramstein bedankte sich Selenskyj für die bisher erhaltene Unterstützung, betonte jedoch die Notwendigkeit einer stärkeren internationalen Beteiligung, insbesondere im Bereich der Luftabwehr. "Ich rufe Sie dazu auf, aktiver bei der Arbeit mit den Flugabwehrsystemen zu sein, und wir haben bereits damit begonnen, mit den F-16 (Kampfflugzeugen) zu arbeiten", erklärte er. Die Kampfflugzeuge seien sehr effektiv beim Abschießen von Raketen und Drohnen, doch die Zahl sei zu gering. "Wir brauchen eine viel stärkere Luftflotte an F-16", sagte Selenskyj.
US-Verteidigungsminister Lloyd Austin erklärte, dass die Verbündeten ihre Unterstützung in diesem "kritischen Moment" verstärken müssten. US-Präsident Joe Biden habe ein weiteres Hilfspaket im Umfang von 250 Millionen US-Dollar (rund 225 Millionen Euro) für die Ukraine unterzeichnet. Das Paket soll Munition für Himars-Raketenwerfer, Artilleriegeschosse sowie Panzerabwehr- und Luftabwehrwaffen umfassen.
Austin betonte, dass es sich um das 24. Treffen der Kontaktgruppe handele, bei dem die Unterstützung der Ukraine im Fokus stehe. Die meisten dieser Treffen fanden bislang als Videokonferenzen statt.
Selenskyj unterstrich die Dringlichkeit weiterer Waffenlieferungen angesichts der aktuellen Lage im Ukraine-Krieg. Die russische Armee verzeichnet seit Monaten Fortschritte im Osten der Ukraine, während Kiew Anfang August eine überraschende Offensive in der westlichen russischen Region Kursk startete.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stellte der Ukraine zusätzliche humanitäre Hilfen für den kommenden Winter in Aussicht. Sie kündigte ein "neues Paket von 40 Millionen Euro für Reparaturarbeiten, Strom, Heizung und Unterkünfte" an, davon 35 Millionen Euro für die Ukraine und fünf Millionen für ukrainische Kriegsflüchtlinge in Moldau. Die EU hat seit Kriegsbeginn 966 Millionen Euro an humanitären Hilfen bereitgestellt, wovon der Großteil direkt in die Ukraine floss.
Selenskyj und Scholz treffen am Nachmittag zu einem Vier-Augen-Gespräch in Frankfurt zusammen, um die nächsten Schritte zu besprechen. Im Anschluss reist Selenskyj nach Italien weiter, wo er auf Regierungschefin Meloni treffen und an einem Wirtschaftsforum teilnehmen will. Selenskyj betonte die Bedeutung internationaler Solidarität und appellierte erneut an die Weltgemeinschaft, den Druck auf Russland weiter zu erhöhen, um einen dauerhaften Frieden zu erreichen.
Quellen: dpa, afp, BBC, faz