Inmitten zunehmender russischer Luftangriffe auf ukrainische Städte hat Präsident Wolodymyr Selenskyj seine Forderungen an die westlichen Verbündeten erneuert. In einer emotionalen Videoansprache rief Selenskyj dazu auf, der Ukraine die Erlaubnis zu erteilen, russisches Staatsgebiet mit Langstreckenwaffen zu attackieren, um die russischen Luftangriffe auf ukrainische Städte zu stoppen und die "Logistik des russischen Terrors" zu unterbrechen.
Selenskyjs Dringlichkeitsappell folgt auf eine Serie verheerender Angriffe, bei denen russische Luftwaffe ukrainische Städte ins Visier genommen hat. Besonders betroffen war Charkiw, wo bei einem Angriff auf ein Wohngebäude sechs Menschen ums Leben kamen und weitere 99 verletzt wurden. Selenskyj betonte, dass solche Angriffe nur durch präventive Schläge gegen russische Militärflugplätze tief im russischen Hinterland effektiv bekämpft werden könnten.
Um diese Strategie umzusetzen, führt eine ukrainische Delegation Gespräche mit den USA. Laut ukrainischen Medienberichten wurde den amerikanischen Behörden eine Liste potenzieller Ziele für Langstreckenangriffe überreicht, die möglicherweise mit westlicher Technologie ausgestattet sind. Der ukrainische Präsident wies darauf hin, dass die Säuberung des ukrainischen Luftraums von russischen Lenkbomben entscheidend sei, um Russland zu einem Ende des Krieges und einem gerechten Frieden zu bewegen.
Selenskyj appellierte außerdem an die Vereinigten Staaten, das Vereinigte Königreich, Frankreich und Deutschland, den nötigen Schutz für die Ukraine zu gewährleisten. "Wir brauchen Langstreckengenehmigungen und Ihre Langstreckengeschosse und -raketen", forderte er. Bisher haben die westlichen Partner der Ukraine nicht die Erlaubnis erteilt, mit den gelieferten schweren Waffen Ziele auf russischem Staatsgebiet zu attackieren. Infolgedessen ist das ukrainische Militär auf den Einsatz von selbstgebauten Kampfdrohnen angewiesen, deren Sprengkraft jedoch begrenzt ist.
Zusätzlich wartet die Ukraine dringend auf die Lieferung von Flugabwehrsystemen, die bereits zugesagt wurden. Diese Systeme sind laut Selenskyj entscheidend, um die Sicherheit von Schulen, Städten und dem Energiesektor zu gewährleisten. Details zu den bereits getroffenen Absprachen nannte der Präsident jedoch nicht.
Währenddessen dauern die Kämpfe entlang der Frontlinien im Osten der Ukraine an. Der ukrainische Generalstab berichtete am Abend von 109 bewaffneten Zusammenstößen im Laufe des Tages. Besonders intensiv sind die Gefechte in der Umgebung der Stadt Pokrowsk am Rande des Donbass, wo russische Einheiten wiederholt mit Artillerieunterstützung gegen die ukrainischen Verteidigungslinien anstürmten. Auch in der Nähe von Kurachewe wurden russische Angriffe gemeldet, deren Verifizierung jedoch schwierig ist.
Die Region Sumy, durch die wichtige Nachschublinien für die ukrainischen Truppen in die westrussische Region Kursk verlaufen, wurde ebenfalls von schweren russischen Artillerieangriffen erschüttert. Mindestens 15 Siedlungen sollen beschossen worden sein. Darüber hinaus wurden aus der von Ukrainern besetzten Stadt Sudscha in der Region Kursk Berichte über massive russische Artillerieüberfälle gemeldet. Die Stadt, die ursprünglich 5.000 Einwohner hatte, sei nun systematisch von russischen Truppen zerstört worden, berichten ukrainische Medien. Sudscha dient derzeit als Sitz der ukrainischen Militärkommandantur für die Region Kursk.
Die Entwicklungen der kommenden Tage könnten entscheidend dafür sein, wie sich die militärische und politische Lage im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine weiterentwickelt.
Quellen: dpa, Reuters, BBC, CNN, Al Jazeera, The Guardian