Deutschland habe "vor langer Zeit entschieden, keine eigenen Atomwaffen anzustreben". Zugleich sei Deutschland eingebunden in die atomare Abschreckung der Nato, sagte der Kanzler und warnte davor, den Schutz der USA "in quasi vorauseilender Sorge" und "fahrlässig" infrage zu stellen.
Scholz mahnte, die US-Wahl noch nicht als entschieden zu bewerten. "Ich habe vergangene Woche jedenfalls einen US-Amtsinhaber getroffen, der sehr überzeugt wirkt, die Wahl im Herbst zu gewinnen", sagte Scholz mit Blick auf sein Treffen mit Präsident Joe Biden in Washington.
Der aussichtsreichste republikanische Präsidentschaftsbewerber und frühere Präsident Donald Trump hatte zuletzt den Schutz von Nato-Staaten infrage gestellt, die ihre finanziellen Verpflichtungen nicht erfüllen. Die Äußerungen lösten eine Debatte über europäische Atomwaffen aus. Sowohl Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) als auch der SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Katarina Barley, zeigten sich offen dafür.
Auch der Vorsitzende des EU-Militärausschusses, Robert Brieger, hält die Debatte über nukleare Abschreckung in Europa für gerechtfertigt. "Die Diskussion über europäische Atomwaffen halte ich für legitim angesichts der konfrontativen Haltung Russlands", sagte der ranghöchste EU-Militärvertreter der Nachrichtenagentur AFP in Brüssel.
Wenn die Europäer "auf Augenhöhe mit anderen Mächten agieren" wollten, müssten sie ihre Verteidigungsausgaben zudem weiter deutlich steigern, betonte er und rief dazu auf, die Äußerungen Trumps als "Ansporn" zu begreifen.
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg warnten dagegen am Mittwoch bei einem Nato-Treffen vor der Diskussion über einen europäischen Atomschirm ohne die USA. Pistorius sprach von "Debatten zur Unzeit". Stoltenberg mahnte, die "Glaubwürdigkeit" der Abschreckung durch US-Atomwaffen in Europa nicht in Frage zu stellen.
Scholz betonte indes, dass sich Deutschland mit konventioneller Rüstung besser gegen die Gefahr neuer russischer Aggressionen wappnen müsse. "Die Bedrohung Europas durch Russland ist real - und daraus müssen wir Konsequenzen ziehen", sagte Scholz in dem Interview mit der "Süddeutschen".
Um genügend Munition und Waffen für die Landesverteidigung zur Verfügung zu haben, müsse Deutschland die Verteidigungswirtschaft ausbauen. "Sie muss uns in die Lage versetzen, uns dauerhaft mit den nötigen Waffensystemen, mit Munition und Ersatzteilen zu versorgen", sagte er.