Zusätzliche Spannungen entstehen jetzt dadurch, dass Erdogan im neuen Nahostkonflikt Partei für die radikalislamische Hamas ergriffen hat und sie trotz des Terrorangriffs auf Israel eine "Befreiungsorganisation" nennt. In Berlin heißt es, diesmal könnten Palästinenser und türkische Rechts-Extremisten auf der einen sowie türkische Linksextremisten und Anhänger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK auf der anderen Seite aneinandergeraten. Für Freitag sind im Regierungsviertel zwei propalästinensische Kundgebungen angekündigt.
Das hat Konsequenzen. Zwar wird der Gast von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier empfangen und später mit Kanzler Olaf Scholz in der Regierungszentrale zu Abend essen. Die Sicherheitsmaßnahmen erstrecken sich auch auf Gebäude, die einige Hundert Meter entfernt liegen.
Allerdings soll Erdogan nur ein paar Stunden in der Stadt sein und dort nicht übernachten. Überdies haben die Verantwortlichen darauf geachtet, öffentliche Auftritte zu vermeiden. Mit Blick auf das am Samstagabend stattfindende Länderspiel zwischen Deutschland und der Türkei im Berliner Olympiastadion teilte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) erleichtert mit: "Uns liegt keine entsprechende Anfrage vor. Wir gehen nicht davon aus, dass der türkische Staatspräsident das Spiel besuchen wird." Zu einem Auftritt bei einer Kundgebung dürfte es ebenfalls nicht kommen.
Dass er bei solchen Gelegenheiten nicht zur Zurückhaltung neigt und Feindschaft schürt, hatte Erdogan schon 2014 bei einem Auftritt in Köln bewiesen. Vor 16.000 Anhängerinnen und Anhängern sagte er damals, oppositionelle Gruppen würden "Lügen und Intrigen" über die Türkei verbreiten.
Der Vorsitzende der Kurdischen Gemeinde in Deutschland, Ali Ertan Toprak, sagte: "Ich hätte mir in der aktuellen Lage gewünscht, dass die deutsche Seite den Besuch absagt. Es kann nicht sein, dass wir im Zusammenhang mit der Sicherheit Israels täglich von Staatsräson reden und dann einem der größten Antisemiten hier den roten Teppich ausrollen." Er rechne nicht mit großen Ausschreitungen, fuhr Toprak fort. Aber wenn sich verfeindete Gruppen begegneten, "könnte es zu Auseinandersetzungen kommen".
Tatsächlich rechnen manche Experten mit Problemen erst am Tag nach Erdogans Anwesenheit, also am Samstag. Dann nämlich wollen PKK-Anhänger gegen das Verbot der Partei demonstrieren. Es wird mit vierstelligen Teilnehmerzahlen gerechnet.