Das Bundeswirtschaftsministerium hat kürzlich ein Eckpunktepapier publiziert, wonach die Pflicht zur möglichst schnellen Briefbeförderung aufgeweicht oder sogar abgeschafft werden sollte. Das Papier ist eine Diskussionsgrundlage für die anstehende Reform des Postgesetzes, das zuletzt 1999 grundlegend verändert worden ist. Bisher muss die Post 80 Prozent der Briefe am nächsten Werktag zustellen. Aus Sicht des Ministeriums ist so eine Vorgabe aber nicht mehr zeitgemäß, weil Schnelligkeit nicht mehr so wichtig sei.
Der CSU-Bundestagsabgeordnete Hansjörg Durz wertet eine Änderung der Zeitvorgabe als "gutes Signal für den Klimaschutz". Dabei bezieht er sich auf die Flugzeuge, die noch immer in Deutschland für die Post unterwegs sind und Briefe befördern. Auf diese Flieger könnte die Post verzichten, wenn sie weniger Zeitdruck bei den Sendungen hätte. Sollte die 80-Prozent-Pflicht kippen, würde sich die durchschnittliche Wartezeit auf Briefe verlängern. Der Konzern könnte dann Kosten senken, weil er weniger Zeitdruck hätte. Einfach so sollte es solch ein Zugeständnis an die Post aber nicht geben, findet der Christsoziale Durz. "Wer die Qualität verringert, der muss auch dafür sorgen, dass der Preis sinkt. Denn weniger Leistung zum selben Preis: Das wäre eine satte Portoerhöhung durch die Hintertür."
Teil der Reformdebatte ist auch die Frage, ob es zukünftig eine Art Zwei-Klassen-Post geben sollte - also teurere schnelle Briefe und billigere langsame Briefe. Wie genau so ein System aussehen könnte, ist noch unklar. Von der Grünen-Bundestagsabgeordneten Sandra Detzer heißt es: "Eine Staffelung des Portos je nach Zustellfrist kann aus unserer Sicht Teil der Überlegungen sein." Der SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Roloff hält eine Reform der sogenannten Laufzeiten für "grundsätzlich vorstellbar". Über die verschiedenen Modelle werde man "ohne Vorfestlegungen diskutieren", sagt er und fügt hinzu, dass langsamere Briefe "konsequenterweise auch günstiger sein" sollten.
Das Briefporto steigt mittlerweile alle drei Jahre. 2019 verteuerte sich der Inlandsversand eines Standardbriefs um 10 Cent auf 80 Cent, 2022 zog das Porto um 5 Cent auf 85 Cent an. Anfang 2025 läuft das jetzige Porto aus, nach geltenden Regeln wird es dann wohl steigen. Sollten die Überlegungen des Eckpunktepapiers im Gesetzgebungsverfahren übernommen werden, so hätte die Post auch künftig noch einen gewissen Zeitdruck - dieser wäre aber viel schwächer als bisher. Derzeit müssen 95 Prozent der Briefe am übernächsten Werktag da sein. Dem Eckpunktepapier zufolge sollte so eine Vorgabe verschärft werden, der Prozentwert könnte also erhöht werden. Allerdings ist es möglich, dass sich so eine Vorgabe dann nicht mehr auf den übernächsten, sondern auf den darauffolgenden Tag bezieht - also auf den dritten Tag nach dem Brief-Einwurf.
Experten sehen die Forderungen aus der Politik skeptisch. "Würde das Porto sinken, bekäme die Post weniger Geld und es wäre fraglich, ob das Unternehmen die Qualität der Zustellung dauerhaft sicherstellen könnte", sagt der Logistikprofessor Kai-Oliver Schocke von der Frankfurt University of Applied Sciences. "Wenn das deutsche Briefgeschäft durch die Reform unattraktiv gemacht wird, könnte die Post ihr Interesse am Inland verlieren und stattdessen das sehr profitable Auslandsgeschäft in den Fokus nehmen." Dann würde ein Stellenabbau in Deutschland drohen.
Die Briefe könnten künftig länger unterwegs sein, ohne dass die Post gegen Pflichten verstößt. Kommt es aber zu einer "schwerwiegenden, wiederholten und anhaltenden" Unterschreitung des Mindestlevels, drohen ihr Bußgelder durch die Bundesnetzagentur - so zumindest wird es in dem Eckpunktepapier vorgeschlagen. Entsprechende Sanktionsmöglichkeiten sehen Bundestagsabgeordnete aus verschiedenen Fraktionen positiv. Es sei überfällig, dass die Behörde bei Problemen der Post sanktionieren könne, sagt der Linke Pascal Meiser. "Dieser von uns schon lange angemahnte Schritt darf aber im Gegenzug nicht durch eine Verschlechterung bei den vorgegeben Brieflaufzeiten oder anderen Qualitätsvorgaben erkauft werden."
Unterdessen gingen die Warnstreiks bei der Post am Samstag weiter, nach Firmenangaben legten 13 500 Beschäftigte an verschiedenen Standorten im Bundesgebiet die Arbeit nieder. Verdi sprach von 18 000 Warnstreikenden. Ein Firmensprecher berichtete von einer Beteiligung von etwas mehr als einem Drittel der Belegschaft an den betroffenen Standorten. Jedes fünfte Paket und jeder elfte Brief blieben liegen - das war ein ähnlich großer Anteil wie am Freitag. In Regionen, wo es Arbeitsausstände gab, war die Ausfallquote allerdings höher als im Bundesschnitt. Die Warnstreiks trafen zum Beispiel Freiburg, Mannheim, Bochum, den Raum Bonn und das Münsterland.
Verdi fordert 15 Prozent mehr Geld für die rund 160.000 Tarifbeschäftigten der Post in Deutschland, das Management hält das für viel zu viel. Am 8. Februar sollen die Tarifverhandlungen weitergehen, dann will die Firma ein eigenes Angebot vorlegen. Es ist nicht auszuschließen, dass Verdi vorher abermals auf Warnstreiks setzt, um den Druck auf den Arbeitgeber zu erhöhen.
dp/pcl