Vucic hatte die Wahl nur 17 Monate nach der letzten Parlamentswahl angesetzt. Obwohl der Präsident so gut wie alles im Land selbst bestimmt, war er nervös geworden: Nach zwei Amokläufen im Mai mit 18 Toten hatte sich eine spontane Protestbewegung formiert, die ein Ende seiner Herrschaft forderte.
Unter Druck geriet Vucic außerdem wegen der ehemaligen serbischen Provinz Kosovo, die heute fast ausschließlich von Albanern bewohnt wird. Serbien beharrt auf seinem Anspruch auf das Territorium des seit 2008 unabhängigen kosovarischen Staates. Der Westen verlangt eine Beilegung des Konflikts und legte zu Jahresbeginn einen Plan vor, der eine faktische Anerkennung der Eigenstaatlichkeit des Kosovos durch Serbien vorsieht. Vucic verhandelte mit dem kosovarischen Ministerpräsidenten Albin Kurti, weigerte sich aber, irgendwelche Vereinbarungen zu unterzeichnen.
Der Ausgang der Wahl am Sonntag dürfte Vucic vorerst Erleichterung verschaffen, zumal die SNS im Vergleich zur letzten Wahl um zwei Prozentpunkte zulegte. In der Wahlnacht sprach er vor Anhängern von einem "klaren, eindeutigen und überzeugenden Sieg". "Jetzt ist es an der Zeit, dass wir unser Land weiterbringen, dass Serbien voranschreitet", fügte er hinzu.
Dabei schnitt die liberale Opposition, die nach den Amokläufen im Mai das Wahlbündnis "Serbien gegen die Gewalt" (SPN) gebildet hatte, relativ gut ab. Mit 24 Prozent der Stimmen kam sie den Wahlforschern zufolge auf 65 Mandate und wurde zweitstärkste Kraft. Zugleich hatte sie die Hoffnung gehegt, bei den gleichzeitig abgehaltenen Kommunalwahlen in der Hauptstadt Belgrad einen Machtwechsel herbeiführen zu können.
Dort zeichnete sich in der Wahlnacht eine Pattsituation ab. Weder SNS noch SPN dürften in der Stadtversammlung, die den Bürgermeister wählt, eine Mehrheit haben. Zünglein an der Waage ist die neue Liste des Arztes und Rechtspopulisten Branimir Nestorovic, die mit 5 Prozent der Stimmen überraschend auch den Einzug ins Landesparlament schaffte.
Vor allem in Belgrad war die Wahl überschattet von Betrugsvorwürfen gegen die Präsidentenpartei. "Wir waren heute Zeugen beispielloser Wahlgewalt", sagte Oppositionsführer Miroslav Aleksic. "Nach unseren Schätzungen wurden in Belgrad 40.000 Personalausweise an Menschen ausgestellt, die nicht hier leben." Medien berichteten von Autobussen, die Menschen aus dem serbischen Teil Bosnien-Herzegowinas zur Belgrader Arena brachten, wo sie an der Wahl teilgenommen haben sollen.
Vucic, der seit 2012 in wechselnden Funktionen die Politik des Landes bestimmt, nutzt vorgezogene Wahlen immer wieder, um sich der Loyalität seiner Funktionäre und Anhänger zu versichern. Seit Mai ist er zwar formell nicht mehr SNS-Vorsitzender, er bestimmt aber weiterhin die Geschicke der Partei. Im Wahlkampf brachte er sich massiv ein. Die SNS stand als Liste mit dem Namen "Aleksandar Vucic - Serbien darf nicht stehenbleiben" auf den Wahlzetteln. Kritiker werfen ihm einen autoritären Regierungsstil vor.
Vucic missbraucht diesen Stimmen zufolge den Regierungsapparat, Polizei und Geheimdienste, um politische Konkurrenten wirtschaftlich zu ruinieren und in der Öffentlichkeit zu diffamieren. Zugleich seien die Machthabenden um Vucic mit der organisierten Kriminalität im Bunde, lauten Vorwürfe der Kritiker. Tätliche Angriffe auf Oppositionelle würden häufig von Schlägertrupps aus diesem Milieu durchgeführt.
Gewählt wurden am Sonntag auch die Abgeordnetenkammer der halbautonomen Nordprovinz Vojvodina sowie 65 von 197 Gemeindevertretungen im Land, darunter die in Belgrad. Das vorläufige Endergebnis will die staatliche Wahlkommission an diesem Montag bekanntgeben.