Es zeige derjenige Stärke, "der die Situation erkennt, der an das Volk denkt, der den Mut hat, die weiße Fahne zu hissen und zu verhandeln", sagte Franziskus am Samstag im Schweizer Sender RSI. "Schämt euch nicht, zu verhandeln, bevor es noch schlimmer wird." Es gebe viele Akteure, die als Vermittler bereitstünden, darunter die Türkei.
Vatikan-Sprecher Matteo Bruni versuchte später in einem von "Vatican News" veröffentlichten Statement, die Aussage des Papstes zu relativieren. Franziskus habe von der "weißen Fahne" gesprochen, "um ein Einstellen der Feindseligkeiten zu bezeichnen, einen Waffenstillstand, der mit dem Mut zur Verhandlung erreicht wurde". Er wiederholte den Aufruf des Papstes zu einer "diplomatischen Lösung auf der Suche nach einem gerechten und dauerhaften Frieden" in der Ukraine.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte sich am Freitag erneut als Gastgeber für Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine angeboten. Das Nato-Mitglied Türkei hat seit Beginn des Kriegs seine Kontakte sowohl zur Ukraine als auch zu Russland aufrecht erhalten.
In dem seit mehr als zwei Jahre dauernden Krieg gerät Kiew zunehmend unter Druck. Den ukrainischen Soldaten an der Front geht die Munition aus - unter anderem wegen der Verzögerung weiterer Militärhilfe aus den USA. Russland dagegen konnte jüngst neue Gebiete unter seine Kontrolle bringen, darunter die hart umkämpfte Stadt Awdijiwka.
In Deutschland stieß die Äußerung des Papstes auf scharfe Kritik. "Wer von der Ukraine verlangt, sich einfach zu ergeben, gibt dem Aggressor, was er sich widerrechtlich geholt hat, und akzeptiert damit die Auslöschung der Ukraine", sagte Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND).
Auf Distanz ging auch der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter: "Unglaublich, das Oberhaupt der katholischen Kirche stellt sich auf die Seite des Aggressors", schrieb er im Internetdienst X. Der Papst liefere damit Russlands Präsident Wladimir Putin eine "Blaupause für weiteres Vorgehen".
In der Ukraine und Russland kam es am Wochenende wieder zu gegenseitigen Angriffen. Dem Gouverneur der Region Kursk im Südosten Russlands zufolge kam im Dorf Kulbaki nahe der Grenze zur Ukraine eine Frau ums Leben. Das Dorf sei aus der Ukraine angegriffen worden, erklärte Roman Starowoit am Sonntag in einem Onlinedienst. "Ihr Ehemann erlitt schwere Verbrennungen und wird nun medizinisch versorgt."
Das russische Verteidigungsministerium teilte mit, in der Grenzregion Belgorod zwei Drohnen zerstört zu haben. Am Samstag hatte Moskau bereits den Abschuss von 47 ukrainischen Drohnen im Süden des Landes bekannt gegeben, besonders betroffen war demnach die Region Rostow.
Die Ukraine meldete am Sonntag ihrerseits den Abschuss von insgesamt 35 russischen Drohnen sowie elf Verletzte durch einem Angriff. In der Stadt Myrnograd in der östlichen Region Donezk seien in der Nacht durch drei S-300-Raketen in einem Wohngebiet mindestens elf Menschen, darunter ein Teenager, verletzt worden, erklärte Regionalgouverneur Wadim Filaschkin in einem Onlinedienst. 17 Hochhäuser seien beschädigt worden.
Die ukrainische Luftwaffe erklärte zudem, 35 Angriffsdrohnen des Typs Schahed aus iranischer Produktion seien über zentralen und südlichen Regionen der Ukraine, einschließlich der Region Kiew, abgeschossen worden. In der nordöstlichen Region Charkiw stand den Behörden zufolge nach russischem Beschuss ein Ferienlager in Flammen.