Der Bundestag setzt die Schuldenbremse zum vierten Mal in Folge aus. Das Grundgesetz sieht nach Artikel 115 ausdrücklich vor, dass zusätzliche Kredite aufgenommen werden können - und zwar im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, "die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen". Die Ampel-Regierung argumentierte damit, dass die tiefgreifenden humanitären, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs die staatliche Finanzlage beeinträchtigten. Zudem seien Schäden von der Flutkatastrophe aus dem Sommer 2021 noch nicht beseitigt.
Die Bundesregierung will mit dem Nachtragshaushalt bereits ausgezahlte Mittel insbesondere für die Gas- und Strompreisbremse sowie Fluthilfen nachträglich rechtlich absichern. Es geht um rund 45 Milliarden Euro, die aus Krediten finanziert wurden. "Wir stellen damit die Strom- und Gaspreisbremse auf ein sicheres juristisches Fundament. Wir sichern die Hilfen im Ahrtal ab - das ist richtig und das ist wichtig", sagte der Haushälter der Grünen, Sven-Christian Kindler, am Freitag im Bundestag.
Seit dem Karlsruher Haushaltsurteil ist klar, dass der Bund diese Kredite ohne Weiteres nicht hätte aufnehmen dürfen. Sie waren 2021 und 2022 genehmigt worden, als die Schuldenbremse wegen der Corona-Krise und des Ukraine-Kriegs ausgesetzt war. Die Ampel-Regierung hatte geplant, das Geld auch 2023 und 2024 noch zu nutzen. Die Karlsruher Richter entschieden jedoch, dass der Bund sich Notlagenkredite nicht für spätere Jahre zurücklegen darf. Ohne den Nachtragshaushalt hätte im Etat für 2023 ein Verfassungsbruch gedroht.
Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse ist umstritten, weil sie dem Bund nur einen bestimmten Spielraum zur Aufnahme von Krediten gibt. Für eine von SPD und Grünen geforderte Reform ist sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit nötig. Die FDP und weite Teile der Union stemmen sich aber dagegen.
Der Bundestag hat in seiner Sitzung zudem den CO2-Preis angehoben, der auf Sprit, Gas und Heizöl anfällt. Das Parlament beschloss am Freitag, dass statt 30 Euro ab Januar 45 Euro pro Tonne ausgestoßenes CO2 fällig werden. Damit setzte der Bundestag den ersten Teil des großen Haushaltspakets der Ampel-Regierung um. Eigentlich wollte die Ampel wegen der hohen Energiepreise zum Jahreswechsel den CO2-Preis nur auf 40 Euro erhöhen. Doch nach dem Haushaltsurteil kehrt man nun auf den steileren Pfad zurück, den die große Koalition vor Jahren schon festgelegten hatte. Die Einnahmen aus dem CO2-Preis fließen in den Klima- und Transformationsfonds, aus dem Projekte unter anderem für Klimaschutz finanziert werden.
Verbraucher müssen nun mit steigenden Sprit-, Öl- und Gaspreisen rechnen. Nach Angaben des ADAC könnte der Liter Benzin zum Jahreswechsel um rund 4,3 Cent teurer. Diesel-Fahrer müssten mit einem Plus von rund 4,7 Cent rechnen. Gas verteuert sich nach Berechnungen des Vergleichsportals Verivox um 0,39 Cent die Kilowattstunde, Heizöl um 4,8 Cent pro Liter. Eine Musterfamilie mit einem Heizbedarf von 20 000 Kilowattstunden habe dadurch jährliche Mehrkosten von 78 Euro beim Gas und 96 Euro bei einer Ölheizung.