Die ehemalige Kanzlerin erläuterte, es biete sich 85 Jahre danach ein zwiespältiges Bild. "Es gibt in Deutschland wieder blühendes Leben, und zugleich erleben wir einen besorgniserregenden Antisemitismus, der jüdisches Leben in unserem Land und anderen sicher geglaubten Orten der Welt bedroht." Er entlade sich zunehmend offen in Hetze im Internet wie allgemein im öffentlichen Raum. Besonders abstoßend seien antisemitische Äußerungen und Übergriffe, die es auf Demonstrationen nach den Terrorangriffen der Hamas auf Israel gebe.
"Wer den legitimen Wunsch nach einem palästinensischen Staat, wer legitime Kritik am politischen Handeln unseres Landes oder dem des Staates Israel auf propalästinensischen Demonstrationen nur als Deckmantel nutzt, um seinen Hass auf den Staat Israel und auf Juden auszuleben, der missbraucht unsere so wertvollen Grundrechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit." Das müsse mit allen Mitteln des Rechtsstaats geahndet und unterbunden werden, verlangte Merkel. Jeder hier Lebende müsse sich zu den Werten des Grundgesetzes bekennen. "Dazu gehört auch, dass die Sicherheit des Staates Israel Teil der Staatsräson Deutschlands ist."
Merkel mahnte, Erinnerung und Wissen um den Zivilisationsbruch der Shoa müssten von Generation zu Generation weitergetragen werden. "Das sind wir den Opfern schuldig, ihren Nachfahren und uns allen, wenn uns das Wohl unseres Landes am Herzen liegt. Wir müssen uns den Angriffen auf unsere offene und plurale Gesellschaft entschlossen entgegenstellen." Shoa kommt aus dem Hebräischen und meint die Massenvernichtung von Jüdinnen und Juden im Nationalsozialismus.