Und dann auch noch klimafreundlich? Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) hat gerade ihre Abrechnung für das Jahr 2022 vorgelegt – aktuellere Zahlen liegen nicht vor. Durch den Einsatz biogener Stoffe sei der Ausstoß von 11,6 Millionen Tonnen CO₂ vermieden worden. Diese Rechnung hat allerdings nach Ansicht von Silvia Brecht vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu) Schwächen: "Die berechneten CO2-Emissionen sind unvollständig. Insbesondere das freigesetzte CO2 aus der damit einhergehenden Entwaldung wird nicht ausreichend berücksichtigt." Das gelte für alle Kraftstoffe aus Anbaubiomasse. Sie betont: "Tatsächlich können biogene Kraftstoffe sogar mehr Emissionen verursachen, als sie einsparen."
Der entscheidende Punkt dabei: Fast ein Drittel der Rohstoffe für den vermeintlich grünen Sprit kommt aus Asien. Doch egal, wo Soja und Ölpalmen dort wachsen, wird durch die Vernetzung globaler Lebensmittelmärkte wegen einer hohen Nachfrage nach biogenen Kraftstoffen indirekt Natur zerstört, um Platz für den Anbau zu schaffen. Wenn sich die Anbauflächen dorthin ausweiten, wo früher Regenwald wucherte, dann kann nach Berechnungen des WWF die CO2-Belastung im ungünstigsten Fall um das 30-Fache steigen.
Den Zahlen des BLE ist auch zu entnehmen, dass asiatisches Palmöl als Ausgangsstoff für Biodiesel im vorigen Jahr hierzulande um zwei Drittel zurückgegangen ist. Das hat damit zu tun, dass dieser pflanzliche Rohstoff schon damals ein Auslaufmodell war. Seit Anfang 2023 wird nämlich Agrosprit aus Palmöl nicht mehr bei den THG-Quoten angerechnet. Aber: Gleichzeitig haben sich die Importe aus Reststoffen der Palmölproduktion (Abwasser und leere Palmfruchtbündel) mehr als vervierfacht.
Das wird nach den geltenden Regeln der EU nicht nur toleriert, sondern ausdrücklich gefördert: Die Mineralölindustrie muss für die Erfüllung ihrer THG-Quoten einen wachsenden Anteil von Abfall als Ausgangsprodukt nachweisen. Doch Nabu-Expertin Brecht ist äußerst skeptisch: Knapp die Hälfte dieser Sekundärrohstoffe stamme aus Asien. "Die Politik glaubt, dass man nun Reststoffe im großen Stil in den Tank bringen kann. Doch die aktuelle Regulierung führt dazu, dass sich Betrug lohnt." Etikettenschwindel könne am Ende dazu führen, dass doch klima- und umweltschädliches Palmöl im Tank landet.
Für Insider ist klar, dass es praktisch unmöglich ist zurückzuverfolgen, ob Biodiesel tatsächlich aus der eigentlichen Palmölgewinnung oder aus der Aufbereitung der Reste kommt. Der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie macht denn auch darauf aufmerksam, dass die Mineralölunternehmen nach Angaben der Generalzolldirektion 2022 ihre Quoten um 930 Prozent übererfüllt hätten. "Wir gehen davon aus, dass hier fragwürdige Importe aus China bereits eine Rolle gespielt haben", so der VDB, der für 2023 mit einer noch größeren Übererfüllung rechnet. Denn nochmals gestiegene Importmengen von mutmaßlich falsch als "fortschrittlich" deklarierten Biokraftstoffen hätten im laufenden Jahr zu schwerwiegenden Verwerfungen im Markt geführt. Die EU-Kommission untersucht bereits mutmaßliche Betrugsfälle.
Für Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), sind derartige Meldungen ein Alarmsignal: "Der Verbrennungsmotor wird nicht grün – auch nicht, wenn Kraftstoff aus sogenannten Abfällen wie gebrauchtem Speiseöl oder dem Abwasser aus Palmölmühlen in den Tank gefüllt wird." Tatsächlich seien die nachhaltig verfügbaren Abfallmengen winzig. Die zahlreichen Verdachtsfälle zeigten, "dass kaum zu verhindern ist, dass am Ende doch wieder frische Speiseöle im Tank landen." Er spricht von Greenwashing.
Die DUH insistiert aber auch darauf, dass der Anbau der Energiepflanzen selbst auf den Prüfstand kommt. Die Produktion von Sojadiesel, der in Südamerika die Abholzung des Amazonas mit befeuere, steige weiter exponentiell an, so Reschs Geschäftsführerkollege Sascha Müller-Kraenner. Die DUH fordert von der Bundesregierung, die Anrechnung von Agrokraftstoff als erneuerbare Energie zu beenden. Auch Brecht verlangt: "Kraftstoffe aus Nahrungs- und Futtermitteln sollten nicht länger gefördert werden." Das gelte auch für wertvolle Reststoffe.