Das Umweltbundesamt (UBA) hat im Zusammenhang mit mutmaßlichen Betrugsfällen 45 Klimaprojekte in China gestoppt. Dirk Messner, der Leiter des UBA, erklärte auf einer digitalen Pressekonferenz, dass alle 45 Projekte aufgrund eines "starken Betrugsverdachts" rückabgewickelt werden sollen. Die Projekte stehen unter dem Verdacht, nicht den vorgeschriebenen Standards zur Reduktion von Treibhausgasen zu entsprechen. Dabei handele es sich möglicherweise um ein "Täuschungsvertragssystem", in dem Projekte angemeldet wurden, die nicht den vereinbarten Bedingungen entsprachen.
Das Umweltbundesamt hat inzwischen 56 Klimaprojekte in China untersucht und kommt zu dem Ergebnis, dass fast die Hälfte der 66 in China registrierten Projekte Unregelmäßigkeiten aufweist. Diese Vorfälle betreffen insbesondere den Emissionshandel, bei dem Unternehmen Klimaschutzprojekte finanzieren, um im Gegenzug CO2-Zertifikate zu erhalten. In diesen Fällen könnte jedoch der Klimaeffekt der Projekte entweder stark übertrieben oder gänzlich nicht existent gewesen sein.
Messner zufolge umfassen die betroffenen Projekte Klimazertifikate im Umfang von sechs Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Dies entspricht einem Marktwert von etwa 1,5 Milliarden Euro. Von diesen sechs Millionen Tonnen können laut UBA nur etwa vier Millionen Tonnen rückabgewickelt werden, was zu einem materiellen Schaden von rund 500 Millionen Euro führt. Diese Menge an CO2 entspricht dem, was deutsche Unternehmen bereits in ihre Klimabilanzen eingerechnet haben.
Die Ermittlungen wurden bereits vor Wochen eingeleitet, nachdem im Juni 2023 bekannt wurde, dass deutsche Mineralölkonzerne möglicherweise betrügerische CO2-Zertifikate zur Kompensation ihrer Treibhausgasemissionen genutzt haben. Diese Zertifikate stammten aus China-Projekten, bei denen erhebliche Unregelmäßigkeiten vermutet werden.
Die Aufarbeitung der Betrugsfälle hat in der Politik heftige Kritik hervorgerufen. Insbesondere die Union wirft dem UBA und dem Bundesumweltministerium, das von Steffi Lemke (Grüne) geführt wird, vor, zu spät auf den Skandal reagiert zu haben. Die Behörde verteidigte sich jedoch und betonte, dass die ersten Hinweise auf mögliche Betrugsfälle im September 2023 eingegangen seien. Zunächst hätten „Aussage gegen Aussage“ gestanden, und die Informationen von anonymen Hinweisgebern seien nicht von Anfang an glaubwürdig gewesen.
Aktuell arbeiten sowohl die Berliner Staatsanwaltschaft als auch eine internationale Anwaltskanzlei an der Aufklärung der Vorwürfe. Im Fokus stehen dabei auch potenziell beteiligte Unternehmen und Einzelpersonen, zu denen das UBA jedoch aufgrund der laufenden Ermittlungen keine weiteren Angaben machte.
Der Skandal um die China-Projekte wirft nicht nur ein schlechtes Licht auf den Emissionshandel, sondern gefährdet auch das Vertrauen in internationale Klimaschutzmaßnahmen. Insbesondere in Ländern wie China, wo die Überwachung der Projektumsetzung erschwert sein kann, werden immer wieder Zweifel an der Transparenz und Seriosität solcher Vorhaben laut. Der Fall zeigt, wie dringend es ist, globale Kontrollmechanismen zu stärken und sicherzustellen, dass Klimaschutzprojekte tatsächlich den erwünschten Effekt haben.
Der Betrug könnte zudem erhebliche Auswirkungen auf den Markt für CO2-Zertifikate haben. Sollte sich herausstellen, dass die betroffenen Projekte tatsächlich keinerlei Klimawirkung hatten, könnte dies das Vertrauen in den Zertifikatehandel erschüttern und Unternehmen dazu bringen, ihre Klimaschutzstrategien zu überdenken.
Angesichts des mutmaßlichen Betrugs wird in Deutschland und international verstärkt über die Notwendigkeit strengerer Kontrollen und transparenterer Zertifizierungsverfahren diskutiert. Klimaschutzzertifikate spielen eine Schlüsselrolle im Kampf gegen den Klimawandel, aber nur, wenn sie auf tatsächlich wirksamen Projekten basieren. Projekte, die lediglich auf dem Papier existieren, verzerren den Markt und mindern die Glaubwürdigkeit der gesamten Klimaschutzpolitik.
Das Umweltbundesamt hat bereits angekündigt, seine Prüfverfahren für internationale Klimaschutzprojekte zu verschärfen, um derartige Fälle in Zukunft zu verhindern. Gleichzeitig wird auf europäischer Ebene an einer Reform des Zertifikatehandels gearbeitet, um Missbrauch besser vorzubeugen.
Für Deutschland stellt der Skandal um die China-Projekte auch eine Herausforderung dar. Deutsche Unternehmen haben diese Zertifikate in gutem Glauben erworben, um ihre Klimabilanzen zu verbessern und den Anforderungen der nationalen und internationalen Klimaziele gerecht zu werden. Nun müssen sie möglicherweise rückwirkend Korrekturen an ihren Bilanzen vornehmen, was sowohl finanziell als auch in Bezug auf ihr öffentliches Image problematisch sein könnte.
Das Umweltbundesamt wird in den kommenden Monaten weiterhin intensiv an der Aufklärung des Skandals arbeiten und mit den betroffenen Unternehmen zusammenarbeiten, um die entstandenen Schäden zu minimieren. Die Ermittlungen der Berliner Staatsanwaltschaft und der beteiligten Anwaltskanzlei könnten noch weitere Monate in Anspruch nehmen.
Der mutmaßliche Betrug bei den China-Klimaprojekten stellt nicht nur einen erheblichen finanziellen Schaden dar, sondern gefährdet auch die Glaubwürdigkeit des internationalen Klimaschutzsystems. Es wird nun darauf ankommen, die beteiligten Akteure zur Rechenschaft zu ziehen, den Schaden zu begrenzen und das Vertrauen in den Emissionshandel und die Zertifizierung von Klimaschutzprojekten wiederherzustellen. Zugleich zeigt der Skandal, dass der internationale Klimaschutz einer ständigen und rigorosen Überprüfung bedarf, um Missbrauch zu verhindern und die Wirksamkeit der Maßnahmen sicherzustellen.