Russische Politiker werfen der Ukraine vor, das Flugzeug abgeschossen zu haben. Sie machen der Regierung in Kiew schwere Vorwürfe. "Die ukrainische Führung wusste bestens über den geplanten Gefangenenaustausch Bescheid, wurde darüber informiert, wie die Gefangenen transportiert werden", sagte der Chef des Verteidigungsausschusses der Staatsduma, Andrej Kartapolow, in Moskau. Beweise für seine Darstellung legte er nicht vor. Abgeschossen worden sei die Maschine mit amerikanischen oder deutschen Flugabwehrraketen, behauptete er weiter.
Seinen Angaben nach wurden 65 Kriegsgefangene in dem Flugzeug zu einem geplanten Austausch geflogen. Eine weitere Maschine vom Typ Il-76 mit 80 weiteren Gefangenen an Bord sei nach dem Abschuss umgekehrt. Insgesamt hätte es einen Austausch von 192 Ukrainern gegen 192 russische Gefangene geben sollen, der nun gescheitert sei. Die Ukraine äußerte sich bisher nicht zu den angeblichen Kriegsgefangenen in der Maschine.
Laut Kartapolow wurde das Militärflugzeug mit drei Flugabwehrraketen entweder des US-Systems Patriot oder des deutschen Systems Iris-T vom Himmel geholt. Die Behauptung lässt sich bisher nicht unabhängig überprüfen. Der Absturzort der Il-76 im westrussischen Gebiet Belgorod liegt etwa 50 Kilometer von der Grenze zur Ukraine entfernt.
Nach offiziellen Angaben gibt es keine Überlebenden. "Alle Insassen an Bord sind ums Leben gekommen", schrieb der Gouverneur der Region, Wjatscheslaw Gladkow, auf seinem Telegram-Kanal. Der Absturzort sei abgesperrt, die Unglücksursache werde untersucht, fügte er hinzu.
Wenn die Ukraine, wie einige in Russland behaupten, das Patriot-SAM eingesetzt hat, beträgt die Reichweite ihrer PAC-2-Raketenfamilie 160 km. Einerseits besteht bei dieser Reichweite keine Notwendigkeit, den Komplex in Grenznähe zu positionieren, wodurch das Risiko besteht, russischen Drohnen oder Artillerieangriffen ausgesetzt zu sein.
Andererseits ist sein Wert bei der Verteidigung strategisch wichtiger Objekte von Bedeutung. Es ist nicht klar, ob die Ukraine es riskieren würde, solch wichtige Waffen zum Abschuss eines Flugzeugs einzusetzen, wenn sie diese stattdessen gegen russische "Kinschal"-Raketen einsetzen könnte.
In den Diskussionen über die Lieferung westlicher Waffen an die Ukraine, insbesondere Boden-Boden-Raketen, wurden in den USA Bedenken geäußert, dass Kiew diese gegen Ziele auf russischem Territorium einsetzen könnte. Offiziell wurden jedoch keine derartigen Beschränkungen eingeführt.
In Kiew meldete das Nachrichtenportal Ukrajinska Prawda unter Berufung auf Militärquellen, die ukrainische Seite bestätige den Absturz. Nach Angaben aus dem Generalstab habe das Flugzeug Flugabwehrraketen S-300 an die Front bringen sollen. Ursprünglich hatte die Ukraijinska Prawda auch gemeldet, das ukrainische Militär habe von einem Abschuss des Flugzeugs gesprochen. Diese Fassung wurde dann geändert.
Für heute werde ein Gefangenenaustausch zwischen Russland und der Ukraine vorbereitet, sagte ein Sprecher des ukrainischen Militärgeheimdienstes gegenüber Radio Liberty. Andriy Yusov wird mit den Worten zitiert: "Ich kann sagen, dass der für heute geplante Austausch noch nicht stattfindet." Er fügt hinzu, dass die von Russland übermittelten Informationen, dass sich an Bord des in Belgorod abgestürzten Flugzeugs Kriegsgefangene befunden hätten, überprüft würden.