Unterdessen spitzt sich die humanitäre Notlage im Gazastreifen weiter zu, sodass die Vereinten Nationen inzwischen auch eine Versorgung der mehr als zwei Millionen Menschen aus der Luft nicht ausschließen. Bei der Verteilung von Hilfsgütern kommt es zu chaotischen Szenen und Rangeleien. Helfer der Organisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) sehen das Gesundheitswesen in dem dicht besiedelten Küstengebiet völlig zusammenbrechen.
Ägyptens Präsident al-Sisi sagte bei einer vom Sender Al Qahera News TV übertragenen Veranstaltung am Mittwoch, eine baldige Feuerpause wäre wichtig, um den notleidenden Menschen im Gazastreifen echte Hilfe zukommen zu lassen. Er äußerte sich auch zu Vorwürfen, sein Land lasse die Menschen in Gaza im Stich, indem es ihnen nicht die Ausreise über die Grenze nach Ägypten erlaube. "Für uns war vom ersten Tag an sehr wichtig, dass der Grenzübergang Rafah eine Route für Hilfslieferungen sein wird", sagte Al-Sisi. Sein Land habe den Grenzübergang auch nie geschlossen, müsse in der gegenwärtigen Situation aber vorsichtig sein. Ägypten ist besorgt über einen möglichen Massenexodus von Flüchtlingen aus dem Gazastreifen in Richtung Ägypten.
Angesichts der desaströsen humanitären Situation im Gazastreifen schließen die Vereinten Nationen Versorgungsflüge nicht aus. "Im Idealfall wollen wir Dinge über die Straße bewegen, wir wollen, dass mehr Straßen offen sind, wir wollen mehr offene Grenzübergänge. Aber wie gesagt: Für das Welternährungsprogramm WFP bleiben alle Optionen auf dem Tisch", sagte UN-Sprecher Stephane Dujarric am Mittwoch in New York. Das Abwerfen von humanitärer Hilfe, das andere Länder wie Jordanien und Frankreich bereits über dem Gazastreifen betreiben, gilt für die Vereinten Nationen als letzter Ausweg, weil es mit technischen Schwierigkeiten und enormen Kosten verbunden ist. Doch zuletzt hatte sich die humanitäre Situation im Gazastreifen auch deshalb zugespitzt, weil viele Lastwagen mit Hilfsgütern nicht zu ihrem Bestimmungsort durchgelassen werden.
Bei der Verteilung von aus der Luft abgeworfenen Hilfsgütern kam es einem CNN-Bericht zufolge zu chaotischen Szenen. Aufnahmen des US-Senders zeigten, wie verzweifelte Männer auch unter Einsatz von Peitschen versuchen, sich Hilfslieferungen zu sichern. Dem Bericht zufolge schwammen und paddelten manche Menschen gar aufs Meer hinaus, nachdem ein Hilfsflugzeug mit seinem Abwurf offenbar das Ziel verfehlt hatte. An den Stränden des zentralen Gazastreifens sowie im Süden des Küstengebiets drängten sich Hunderte Palästinenser, um einen Teil der Lieferung abzubekommen. Auf den CNN-Aufnahmen ist zu sehen, wie einige von ihnen mithilfe von langen Holzstöcken versuchen, andere Menschen von ihren aus dem Meer gefischten Gütern fernzuhalten.
Angesichts der dramatischen Lage im Gazastreifen schafft es das medizinische Personal dort nach Angaben von Ärzte ohne Grenzen kaum noch, die Menschen hinreichend zu versorgen. "Das Gesundheitswesen ist angegriffen worden - es bricht zusammen. Das ganze System bricht zusammen", sagte die Generaldirektorin der Organisation, Meinie Nicolai, in einer Videobotschaft auf der Plattform X (vormals Twitter).
Unterdessen stellte das Krankenhaus Kamal Adwan in Dschabalia im Norden des Küstenstreifens wegen Treibstoffmangels seine medizinischen Aktivitäten ein. Dies verschärfe die Lage noch mehr und führe dazu, dass Tausende Patienten nicht mehr versorgt werden könnten, sagte der Direktor des Krankenhauses, Ahmed Kahalot.
Der palästinensische Außenminister Riad Malki schließt eine Regierungsbeteiligung der im Gazastreifen herrschenden militant-islamistischen Hamas im Moment aus. Es sei nicht der richtige Zeitpunkt für eine nationale Koalitionsregierung, sagte Malki in Genf am Rande einer Sitzung des UN-Menschenrechtsrates. Nach seinem Verständnis unterstütze die Hamas die Bildung einer Regierung aus Technokraten. Deren unmittelbare Aufgabe sei es, palästinensische Leben zu retten und den Krieg zu beenden. Wenn das geschehen sei, könne man über Wahlen nachdenken, sagte Malki. Einen Zeitpunkt gebe es dafür nicht.
Die israelischen Streitkräfte griffen derweil nach Angaben von Aktivisten Ziele in der Nähe der syrischen Hauptstadt Damaskus an. Zwei Standorte der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah und proiranische Milizen seien am späten Mittwochabend südlich von Damaskus bombardiert worden, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in London mit. Die Angriffe hätten zu Todesopfern geführt - Zahlen wurden nicht genannt. Aus dem syrischen Verteidigungsministerium hieß es indes, Luftabwehrsysteme hätten die meisten Raketen abgefangen. Israels Militär wollte sich nicht zu den Berichten äußern.
Nach Angaben der israelischen Armee wurden aus dem Libanon mehrere Raketen in Richtung Israel abgeschossen. Einige von ihnen seien noch im Libanon niedergegangen, die restlichen auf israelischem Gebiet. Im Norden des Landes heulten demnach am Nachmittag die Sirenen. Es gab zunächst keine Berichte über Verletzte.
Zuvor hatten israelische Kampfflugzeuge nach Darstellung des Militärs eine Abschussrampe im Libanon angegriffen. Diese sei benutzt worden, um auf die Gegend des Ortes Kiriat Schmona fast unmittelbar an der Grenze zum nördlichen Nachbarland zu schießen. Bei den Angriffen wurde nach Armeeangaben zudem militärische Infrastruktur der Hisbollah getroffen. Die Hisbollah äußerte sich zu den Vorfällen in der Grenzregion zunächst nicht.