Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dennis Rohde, sagte dem Magazin "Stern": "Noch ist das gesamte Ausmaß der Flutschäden nicht absehbar, aber für genau solche Fälle haben wir die Möglichkeit, die Schuldenbremse auszusetzen, im Grundgesetz stehen." Daran habe auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nichts geändert. "Ob wir diese finanzielle Dimension erreichen, werden wir jetzt genau prüfen."
Die Schuldenbremse sieht vor, dass die Haushalte von Bund und Ländern ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen sind. Sie kann laut Grundgesetz aber im Fall von Naturkatastrophen oder anderen außergewöhnlichen Notlagen ausgesetzt werden, wenn die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigt wird. Derzeit prüft die Bundesregierung, ob die Fluthilfen nach der Hochwasserkatastrophe 2021 im Ahrtal ein erneutes Aussetzen der Schuldenbremse in diesem Jahr rechtfertigen.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte am Sonntag das aktuelle Hochwassergebiet im Norden Niedersachsens besucht. Er versicherte, der Bund stehe den betroffenen Ländern und Kommunen bei der Bewältigung "mit seinen Möglichkeiten" zur Seite. Konkrete Zusagen für Finanzhilfen machte Scholz nicht.
Der Vorstoß der SPD-Politiker stößt auf Kritik. Gemeindebund-Präsident Uwe Brandl (CSU) sieht "überhaupt keinen Anlass" für ein Aussetzen der Schuldenbremse. "Da würde ich zur Gelassenheit und zur Zurückhaltung raten", sagte der Chef des Deutschen Städte- und Gemeindebunds (DStGB) am Mittwoch in Berlin. Schließlich könne man "alle fünf Minuten irgendeine andere schwierige Situation vorfinden", die eine Aussetzung der Schuldenbremse rechtfertigen könnte.
Stattdessen gehe es um eine richtige Priorisierung der zur Verfügung stehenden Gelder. Dabei stellte Brandl insbesondere Sozialleistungen in Frage. "Mehr als 70 Milliarden Euro haben alleine die Kommunen im letzten Jahr für Sozialleistungen ausgegeben", sagte er. Die Summe habe sich innerhalb von 20 Jahren verdoppelt. Das sei keine nachhaltige und ausgeglichene Entwicklung. Daher müsste sich die Bundesregierung die Frage stellen, ob beispielsweise einkommensunabhängige Zahlungen der richtige Weg seien.
Für das Jahr 2024 prognostiziert der DStGB allein für die kommunale Ebene ein finanzielles Defizit von zehn Milliarden Euro. "Das ist eine deutliche Zahl, die uns zu denken geben sollte", sagte Brandl. Über das Aussetzen der Schuldenbremse könne man aber erst nachdenken, wenn die geforderte Priorisierung und Umstrukturierung der Gelder nicht funktioniere.
Auch der FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer lehnt ein Aussetzen der Schuldenbremse wegen der Hochwasserlage ab. Zu den Forderungen von SPD-Haushaltspolitikern sagte Meyer der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch: "Für erste akute Hilfsmaßnahmen unterstützt der Bund die betroffenen Regionen über das THW (Technische Hilfswerk). Es ist noch völlig unklar, welche Schäden durch das Hochwasser entstehen." Es sei momentan nicht ersichtlich, dass Länder und Bund durch das Hochwasser finanziell überfordert seien. "Ein Aussetzen der Schuldenbremse ist daher zurzeit nicht gerechtfertigt."