Das hatten sich SPD, Grüne und FDP schon in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen, wenn auch nur für "Ausnahmefälle". Diese Prüfung läuft laut Innenministerium schon. Ob es dazu jemals kommen wird, ist eine ganz andere Frage. Dazu brauche es "jemanden", also wohl ein Land, das dies gemeinsam mit Deutschland voranbringen wolle, sagte Scholz am frühen Dienstagmorgen.
"Bisher ist es in Europa ja nicht gelungen, dass irgendjemand eine solche Verständigung auch in die Praxis überführt. Außerdem gibt es eine ganze Reihe von rechtlichen Fragen." Unklar bleibt bei der Formulierung auch, ob es darum geht, dass Migranten in ihren Herkunftsländern oder auf dem Weg nach Europa hierzulande Asyl beantragen können - oder ob sie aus Deutschland dorthin zurückgebracht werden sollen für ihr Asylverfahren. Die zweite Variante wäre mit den SPD-geführten Ländern nicht machbar, wie Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil deutlich machte.
Der Migrationsexperte Gerald Knaus sagte: "Eine zusätzliche Möglichkeit, unterwegs in irgendeinem Zentrum einen Asylantrag für Deutschland zu stellen, sorgt allein nicht dafür, dass weniger Menschen irregulär in die EU kommen." Er plädiert dafür, zunächst einmal eine Vereinbarung zwischen der EU und einem afrikanischen Land zu schließen, das alle Menschen, die in den kommenden zwei Jahren über das zentrale Mittelmeer nach Italien kommen, zurücknimmt. Dort müssten dann faire Asylverfahren stattfinden.
Experten des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (Dezim) betonten, unklar sei etwa, ob hier Vorprüfungen oder komplette Asylverfahren stattfinden sollten. Es müsse geklärt werden, "wie neue Vorschläge mit den altbekannten Problemen (menschenrechtskonforme Verfahren, zusätzliche Bürokratie, hohe Kosten) umgehen und wie Rechenschaft für Rechtsverletzungen hergestellt werden kann", sagten Zeynep Yanasmayan, Ramona Rischke und Lukas Fuchs der dpa. "Wir sind skeptisch, dass dies gelingt."
Die aktuellen punktuellen Kontrollen an den Grenzen zu Österreich, der Schweiz, Tschechien und Polen sollen weitergehen, auch um gegen Schleuser vorzugehen. Laut Knaus bringt das allenfalls kurzfristig etwas. "Das zeigt die Erfahrung Frankreichs, das seit 2015 Kontrollen zu Italien hat; die Zahl der Asylanträge stieg trotzdem stark." Bei Österreichs Kontrollen an der Grenze zu Ungarn sei es seit 2016 ähnlich. "Die Leute, die Polizisten an einer Stelle zurückweisen, kommen dann woanders erneut über die Grenze." Die Dezim-Experten erklären, es handle sich aller Voraussicht nach um "teuren Aktionismus, ohne Resultate".
Asylverfahren sollen schneller abgewickelt werden als bisher. Insbesondere bei Menschen aus Staaten mit einer Anerkennungsquote von weniger als fünf Prozent soll das Verfahren in drei Monaten abgeschlossen sein. Derzeit sind es im Durchschnitt 7,6 Monate.
Schnellere, faire Verfahren seien zwar eine gute Sache, befindet Knaus. Dafür brauche es aber auch die nötigen Ressourcen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), das über Asylanträge entscheidet, und bei den Verwaltungsgerichten, wo abgelehnte Antragsteller klagen. Grundsätzlich müssten weniger aussichtslose Asylanträge das Ziel sein. "Das erreicht man, ohne das Asylrecht zu beschränken, durch die Ausweisung sicherer Herkunftsstaaten wie Georgien, Moldau oder auch Kolumbien, weil dann auch Verfahren schneller werden." Bei so genannten sicheren Herkunftsstaaten geht das Bamf davon aus, dass Betroffenen dort in der Regel weder Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohen.
Auch Yanasmayan, Rischke und Fuchs befürworten schnellstmögliche Verfahren. "Längere Zeiten von Unsicherheit über den Aufenthaltsstatus sind sehr belastend und wirken sich zudem langfristig negativ auf die Teilhabe-Chancen von Geflüchteten aus." Gleichwohl seien menschenrechtskonforme Verfahren sicherzustellen, inklusive ausreichend Zeit für eine Berufung.
Die Leistungen für Asylbewerber sollen künftig erst nach 36 statt bisher nach 18 Monaten auf ungefähr die Höhe der regulären Sozialhilfe steigen. Außerdem sollen Schutzsuchende künftig mindestens einen Teil ihrer Leistungen künftig als Guthaben auf eine Bezahlkarte bekommen. Insbesondere die FDP dringt auf diesen Schritt, der Überweisungen an Freunde und Familie im Herkunftsland verhindern soll.
Die Dezim-Experten halten solche Karten für sinnlos. "Sie sind mit einem erheblichen bürokratischen Aufwand verbunden, wirken stigmatisierend und verhindern letztendlich auch nicht, die gekauften Güter in Bargeld zu tauschen." Nach ihrer Einschätzung kommen solche Rücküberweisungen auch eher von Menschen, die hierzulande beschäftigt sind.
Sozialleistungen seien keine Fluchtursache, sondern dies seien Konflikte und Verfolgung in Herkunfts- und Transitländern, unterstreichen die Fachleute des Dezim. Knaus argumentiert, nicht die spezifischen Sozialleistungen seien hier relevant. "Die attraktivsten Länder in der EU sind heute Österreich und Deutschland, die unterschiedliche Leistungen anbieten. Das, was Länder wie Deutschland und Österreich attraktiv macht, ist der funktionierende Rechtsstaat. Beides sind auch Länder mit einer sehr aktiven Zivilgesellschaft, die sich um Flüchtlinge kümmert."