Die Bank of England hat trotz Warnungen über mögliche Auswirkungen des Haushaltsplans von Finanzministerin Rachel Reeves den Leitzins von 5 % auf 4,75 % gesenkt. Dies ist der zweite Zinsschritt der britischen Zentralbank innerhalb von drei Monaten, um Unternehmen und Haushalte inmitten hoher Kreditkosten zu entlasten. Der geldpolitische Ausschuss der Bank (Monetary Policy Committee, MPC) entschied mit acht zu eins Stimmen, die Zinssenkung umzusetzen. Allerdings bleiben Bedenken bestehen: Der Haushaltsentwurf sieht zusätzliche Staatsausgaben von 70 Milliarden Pfund vor, was das Wirtschaftswachstum ankurbeln, aber auch die Inflation erhöhen könnte. Dies könnte dazu führen, dass der Inflationsdruck länger anhält und der Leitzins nicht wie erhofft rasch gesenkt werden kann.
Der Haushaltsentwurf der neuen Labour-Regierung beinhaltet zusätzliche Ausgaben, die durch Steuererhöhungen und neue Kreditaufnahmen finanziert werden sollen. Diese Maßnahmen sollen das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,75 Prozentpunkte steigern, könnten aber auch die Inflation um 0,5 Prozentpunkte anheben. Besonders problematisch ist, dass geplante Erhöhungen der Sozialversicherungsbeiträge und des Mindestlohns das Inflationsrisiko erhöhen, wodurch sich die Wirtschaftsziele der Regierung und die geldpolitischen Ziele der Bank of England in Spannung befinden.
Der Gouverneur der Bank of England, Andrew Bailey, warnte, dass eine rasche Zinssenkung angesichts der noch bestehenden Inflationsrisiken derzeit nicht infrage kommt. Bailey erklärte, dass man die Inflation "nahe dem Zielwert" halten müsse, um das Risiko einer langfristig erhöhten Teuerung zu vermeiden. Die Bank prognostiziert, dass die Inflation im Jahr 2026 über dem Zielwert von 2 % bleiben wird, bevor sie 2027 zurückgeht. Dies ist ein Jahr länger als in der Prognose vom August 2023.
Parallel zur Zinssenkung in Großbritannien wird die US-Notenbank, die Federal Reserve (Fed), ebenfalls mit einer möglichen weiteren Leitzinssenkung reagieren. Auch in den USA hat sich der Inflationsdruck abgeschwächt, was die Fed veranlasst hat, den Leitzins seit September mehrfach zu senken. Die jüngsten Daten zeigen, dass die Inflationsrate in den USA im September auf 2,1 % gesunken ist, ein deutlich geringerer Wert als im Vorjahr. Analysten und Anleger sehen die Entscheidung der Fed jedoch kritisch, da ein drastischer Rückgang der Zinsen für längere Finanzierungen und Kredite den Inflationsdruck möglicherweise verstärken könnte.
Besonders seit der Wahl von Donald Trump zum designierten US-Präsidenten kursieren an den Finanzmärkten Befürchtungen über mögliche inflationäre Effekte seiner wirtschaftspolitischen Vorschläge. Trumps Ankündigung, Importzölle zu erheben und Steuern auf chinesische Waren zu erhöhen, könnte sowohl in den USA als auch weltweit zu steigenden Preisen führen, was die Inflationskontrolle erschwert und die Entscheidungsträger der Fed unter Druck setzt, ihre Zinspolitik anzupassen.
Auch in Schweden und Norwegen haben die Zentralbanken auf die aktuellen Wirtschaftsbedingungen reagiert, allerdings mit unterschiedlichen Maßnahmen. Die schwedische Zentralbank senkte ihren Leitzins um einen halben Prozentpunkt auf 2,75 % – die größte Zinssenkung seit über einem Jahrzehnt. Dies soll die Wirtschaft stabilisieren, nachdem die Inflation in Schweden im Oktober auf 1,6 % gefallen war. Schweden, als EU-Mitglied jedoch ohne den Euro, zeigt eine wirtschaftliche Schwäche, die laut Experten noch Zeit zur Erholung braucht.
Norwegens Zentralbank hingegen hat ihren Leitzins bei 4,5 % belassen und plant, diesen bis Ende 2024 unverändert zu halten. Die geldpolitischen Entscheidungen in Norwegen spiegeln eine erfolgreiche Inflationskontrolle wider, mit einer aktuellen Inflationsrate von 3 %, die im internationalen Vergleich moderat ist. Die norwegische Wirtschaft ist stabil und profitierte zuletzt von einer starken Arbeitsmarktentwicklung sowie moderaten Energiepreisen.
In Großbritannien sieht die Lage derzeit weniger stabil aus. Die hohen Staatsausgaben, die von der Labour-Regierung unter Reeves geplant sind, könnten zwar kurzfristig für Wachstum sorgen, aber mittelfristig eine erhebliche Inflation auslösen, die den wirtschaftlichen Spielraum weiter einengt. Die Bank of England steht somit vor der Herausforderung, einerseits das Wachstum zu unterstützen und gleichzeitig die Inflation zu dämpfen, was durch die langfristige Anhebung der Energiepreise noch verschärft wird.
Die nächsten Schritte der Bank of England sowie der Fed bleiben angesichts der politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen in den kommenden Jahren von enormer Bedeutung. Entscheidungen über Importzölle, die Struktur der Fiskalpolitik und mögliche Veränderungen in der Energiepolitik könnten den Inflationsverlauf stark beeinflussen. Sowohl die Bank of England als auch die Fed werden ihre geldpolitischen Ziele in einer komplexen wirtschaftlichen und politischen Weltlage neu justieren müssen, um die Inflation langfristig unter Kontrolle zu halten und gleichzeitig die Wirtschaft nicht zu überlasten.
Quellen: Bank of England, The Financial Times, The Guardian, EZB, Federal Reserve