"Früher haben wir Mitte Oktober geschlossen, in diesem Jahr wollen wir bis Ende November offenhalten, wenn genug Gäste kommen auch länger", sagt der Chef des Familienbetriebs. Griechenland steuert in diesem Jahr auf einen Reiserekord zu. In den ersten sieben Monaten lagen die Touristenzahlen und Einnahmen um rund 20 Prozent über dem Vorjahr. Branchenexperten erwarten 2023 rund 35 Millionen Besucher, eine Million mehr als im bisherigen Rekordjahr 2019. Die Einnahmen aus dem Fremdenverkehr sollen von 18,2 auf 20 Milliarden Euro steigen. Seit Jahren bemühen sich die griechischen Tourismusstrategen, die Saison zu strecken – um das große Gedränge in den traditionellen Ferienmonaten Juli und August etwas abzumildern, aber auch, um ihre Hotels besser auszulasten. Die Folgen des Klimawandels könnten helfen, dieses Konzept umzusetzen.
Im Juli stöhnten Einheimische sowie Urlauberinnen und Urlauber in Griechenland zwei Wochen lang unter der schlimmsten Hitzewelle seit Jahrzehnten. Mancherorts stiegen die Temperaturen auf 45 Grad, auf der Insel Rhodos wüteten tagelang riesige Waldbrände. 20.000 Touristinnen und Touristen mussten evakuiert werden. Und dann kam der Mittelmeer-Zyklon "Daniel", der auch auf Ferieninseln wie Skiathos und Skopelos Überschwemmungen auslöste.
Solche Erlebnisse können die Ferien zu einer traumatischen Erfahrung machen. Und selbst wenn es nicht zu Katastrophen kommt: Bei 40 Grad am Strand zu liegen, macht nicht jedem Spaß. Besonders für ältere Menschen und kleine Kinder sind diese Temperaturen schwer zu ertragen. Und Meteorologinnen und Meteorologen erwarten, dass solche Hitzewellen infolge des Klimawandels künftig häufiger auftreten werden.
Neben Sonne, Strand und Meer werden deshalb andere Aspekte wie Wellness, Kultur und Gastronomie eine größere Rolle spielen, glaubt man beim griechischen Tourismusverband SETE. Auch Städtereisen gewinnen an Bedeutung. Die Hotels in Athen meldeten im ersten Halbjahr eine um 30 Prozent höhere Auslastung als 2022. Veranstalter beobachten, dass immer mehr Urlauber Reisen in der Vor- und Nachsaison buchen. Viele griechische Hoteliers reagieren bereits darauf. Sie halten im Herbst länger offen und wollen im nächsten Jahr früher öffnen. Der Reisekonzern TUI und andere Veranstalter haben einige Griechenland-Programme bis in den November verlängert.
Auf Rhodos ist das Meer selbst im November und Dezember noch über 20 Grad warm, und nicht selten herrschen sogar zu Weihnachten noch spätsommerliche Temperaturen. Antike Stätten wie Delphi, Mykene und das antike Olympia entfalten gegen Ende des Jahres ihren besonderen Charme, wenn nach den ersten Herbstschauern überall frisches Gras und Blumen sprießen.
Auf die Nähe zum antiken Olympia setzt auch der Hotelier Filippou: "Im Herbst und Frühjahr ist es dort grüner, kühler und ruhiger, das macht das Erlebnis viel intensiver als in der glühenden Sommerhitze", sagt er. Eine Sorge bleibt aber. Filippou hofft, dass die Inhaberinnen und Inhaber der Restaurants, der Bars und der Läden in der Umgebung bei der Verlängerung der Saison mitziehen, "denn nur wenn wir eine touristische Infrastruktur anbieten, können wir im Herbst Urlauber gewinnen".
ag/pcl