Man gehe davon aus, dass es sich bei dem Täter um einen Studenten der Hochschule handele, der kurz zuvor seinen Vater ermordet habe und deswegen gesucht worden sei. Die formelle Identifikation stehe aber noch aus. Der mutmaßliche Täter habe sich wahrscheinlich von Amokläufen im Ausland inspirieren lassen. Es dürfte der schlimmste Schusswaffenangriff in der Geschichte der seit 1993 unabhängigen Tschechischen Republik sein.
"Veränderte Bedrohungslage": Faeser warnt erneut vor islamistischen Anschlägen in Deutschland
Auch am Abend war der Einsatz der Polizei noch in vollem Gange. "Die Intervention vor Ort ist noch nicht abgeschlossen. Derzeit liegen uns keine Informationen darüber vor, dass der Täter mit einer terroristischen Organisation in Verbindung steht", schrieb die Prager Polizei auf X.
Laut dem tschechischen Innenminister Vit Rakusan drohe keine Gefahr mehr für die Öffentlichkeit. Das sagte Rakusan am Donnerstagnachmittag im öffentlich-rechtlichen Fernsehen CT. Es gebe keine Hinweise auf einen zweiten Schützen. Rakusan rief die Bevölkerung dennoch auf, den Anweisungen der Polizei zu folgen. Der Minister war nach der Tat Einsatzort geeilt.
Die Polizei war mit einem Großaufgebot vor Ort. Sie rief die Menschen auf, die Gegend weiträumig zu meiden. Anwohner sollten nicht aus dem Haus gehen. "Wir bitten die Bürger dringend, sich nicht in unmittelbarer Nähe aufzuhalten und das Haus nicht zu verlassen."
Auf Fotos war zu sehen, wie Studenten das Gebäude mit erhobenen Armen verlassen. Zur Zahl der Toten und Verletzten gab es zunächst keine näheren Angaben. Der Jan-Palach-Platz befindet sich nur wenige hundert Meter von der bekannten Karlsbrücke entfernt.
Nähere Informationen zum mutmaßlichen Schützen und einem möglichen Motiv gab es zunächst nicht. Studenten und Mitarbeiter der Universität teilten in den sozialen Medien mit, dass sie sich in Hörsälen und Büros verbarrikadiert hätten. Die Menschen sollten nun nach und nach aus dem Gebäude gebracht werden. Der Rettungsdienst schickte mehrere Rettungswagen, Notärzte und einen Großraumrettungswagen zum Einsatzort.
Der tschechische Präsident Petr Pavel sprach den Angehörigen der Getöteten sein Beileid aus. Er dankte den Bürgern beim Kurznachrichtendienst X am Donnerstag dafür, dass sie den Anweisungen der Sicherheitskräfte gefolgt seien. Wie das Büro des Staatsoberhaupts mitteilte, bricht Pavel seinen derzeitigen Frankreich-Besuch ab und kehrt vorzeitig nach Tschechien zurück.
"Ich stehe in Kontakt mit dem Innenminister und der tschechischen Polizei und bitte alle Bürgerinnen und Bürger, die Empfehlungen der Rettungsdienste zu beachten." Am späten Abend sollte die Regierung zu einer Krisensitzung zusammenkommen.
Auch der Prager Oberbürgermeister Bohuslav Svoboda zeigte sich schockiert. "Das ist eine Tragödie", sagte er dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen CT. "Das Schlimmste daran ist, dass diese Dinge nicht zu verhindern sind." Viele dächten, so etwas könne nur in den USA passieren, weil viele dort bewaffnet seien. Es zeige sich, dass dem nicht so sei. Zum Zeitpunkt der Schüsse sei er in seiner Residenz unweit der Universität gewesen. "Die Polizei hat uns eingeschlossen, wir durften das Gelände nicht verlassen", sagte Svoboda.
Auch die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock reagierte schockiert auf die Schüsse auf dem Prager Hochschulgelände. "Der Anschlag mitten in Prag trifft Europa im Herzen. Wir sind in Trauer. Unsere Gedanken und unser volles Mitgefühl gelten den Familien und Freunden der Opfer", so Baerbock.
Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat sich erschüttert über die Bluttat an der Karls-Universität in Prag gezeigt. Ihre Gedanken seien bei den Opfern und Verletzten, schrieb die SPD-Politikerin am Donnerstag bei X. "All unsere Solidarität und unser Mitgefühl gilt unseren tschechischen Nachbarn und Freunden in dieser schweren Stunde", betonte die 53-Jährige.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron schrieb auf X, die Nachricht über die tödlichen Schüsse habe ihn zutiefst erschüttert. "Ich bekunde meine Solidarität mit den Opfern, den Verletzten und ihren Angehörigen sowie mit dem tschechischen Volk und den tschechischen Behörden."
Die Karls-Universität wurde 1348 gegründet und zählt damit zu den ältesten europäischen Universitäten. Sie hat rund 49.500 Studentinnen und Studenten. Davon studieren rund 8000 an der Philosophischen Fakultät Fächer wie Germanistik, Slawistik, Geschichtswissenschaft.