Doch aktuell spricht wenig für eine konstruktive Atmosphäre. Die Fronten sind spätestens seit dem Warnstreik vor einer Woche verhärtet. Die Bahn zeigt weiter keine Gesprächsbereitschaft beim Thema Arbeitszeitverkürzung, das der GDL besonders wichtig ist.
"Der nächste Warnstreik kommt bestimmt. Damit werden wir uns nicht allzu viel Zeit lassen", sagte Weselsky der "Rheinischen Post" (Mittwoch). Die viel kniffligere Frage scheint: Wie können die Verhandler der Deutschen Bahn überhaupt einen weiteren Arbeitskampf verhindern? Die GDL fordert eine Absenkung der Wochenarbeitszeit für Schichtarbeiter von 38 auf 35 Stunden, die Bahn hält diese Forderung für nicht umsetzbar. Sollte der GDL-Chef am Donnerstag nur oder zuvorderst über dieses Thema reden wollen, dürften beide Seiten bekannte Positionen vortragen. Ein schnelles Ende der Verhandlungsrunde ist dann nicht ausgeschlossen.
Die Urabstimmung in der GDL über unbefristete Streiks ist angelaufen, das Ergebnis wird aber erst rund um die Weihnachtstage erwartet. Wenn 75 Prozent der Abstimmungsteilnehmer unbefristeten Streiks zustimmen, kann Weselsky einen solchen jederzeit ausrufen.
Bis dahin muss sich der GDL-Chef auf zeitlich befristete Warnstreiks beschränken. Die Dauer des Ausstands muss zudem in einem angemessenen Verhältnis zu den Forderungen beziehungsweise der aktuellen Verhandlungssituation stehen. Bei fehlender Verhältnismäßigkeit kann ein Arbeitsgericht einen Warnstreik untersagen - so geschehen in der Tarifauseinandersetzung zwischen der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und der Bahn im Mai.
Die EVG begründete damals einen geplanten 50-Stunden-Warnstreik vor allem mit einer Forderung, deren Erfüllung die DB schon in Aussicht gestellt hatte. Vor dem Arbeitsgericht in Frankfurt am Main schlossen der Bahn-Konzern und die Gewerkschaft dann einen Vergleich, der Warnstreik wurde abgesagt. 50 Stunden sind für einen Warnstreik auf der Schiene eine sehr lange Dauer.
Die GDL darf während der Urabstimmung streiken, auch die Verhandlungen können trotz Urabstimmung fortgeführt werden. Die Atmosphäre zwischen den Verhandlern dürfte sich aber allein durch die Ankündigung der Urabstimmung verschlechtert haben, ebenso durch den 20-stündigen Warnstreik vor einer Woche. Die Delegationen sind nun für diesen Donnerstag und Freitag zu Gesprächen verabredet.
"Die GDL hat noch nie über Weihnachten gestreikt und wird es auch dieses Jahr nicht tun. Die Weihnachtszeit ist eine friedliche - und das wird sie auch bleiben", sagte Weselsky der "Leipziger Volkszeitung". Aber wann fängt für Weselsky die Weihnachtszeit an, wann hört sie auf? Ein Großteil der Menschen, die Weihnachten mit der Bahn verreisen wollen, werden absehbar nicht an Festtagen unterwegs sein. Ein Streik am 22. Dezember, dem Freitag vor Weihnachten, würde wohl weit mehr Reisende treffen als ein Ausstand am 25. Dezember. Gleiches gilt für Reisen nach den Festtagen.
Die Kernforderung der GDL ist die Arbeitszeitsenkung für Schichtarbeiter. Weselsky will so nach eigener Aussage den Beruf des Lokführers wieder attraktiver machen und für mehr Wertschätzung sorgen. DB-Personalvorstand Martin Seiler argumentiert, dass mit einer Arbeitszeitsenkung viele Menschen eingestellt werden müssten - auch angesichts des Fachkräftemangels hält er das für nicht möglich.
Darüber hinaus fordert die Gewerkschaft unter anderem 555 Euro mehr pro Monat sowie eine Inflationsausgleichsprämie. Die Bahn hat in einem ersten Angebot elf Prozent höhere Entgelte bei einer Laufzeit von 32 Monaten in Aussicht gestellt plus Inflationsausgleichsprämie.
Für die Fahrgäste der Bahn ist die aktuelle Situation auch deshalb beschwerlich, weil die Angst vor Streiks schon während der Tarifrunde mit der EVG im Frühling und Sommer für Unruhe sorgte. Dreimal rief die EVG zu Warnstreiks auf, zweimal fanden sie statt. Der jüngste Arbeitskampf der GDL war also der dritte Streiktag auf der Schiene im laufenden Jahr. Für die Bahn bedeuten solche Tage hohe Kosten und Ärger bei Kunden. Die ohnehin schlechte Pünktlichkeitsquote wird durch die Arbeitsniederlegungen aber nicht weiter verschlechtert: Zugausfälle werden in der Statistik nicht berücksichtigt.