In der SPD-Fraktion hätten sich jene durchgesetzt, die ein Wahlrecht nach den Vorstellungen der SPD haben wollten, kritisierte Merz. "Die SPD schafft sich jetzt mit dem Koalitionspartner FDP und Grünen ein eigenes Wahlrecht." Die Ampel-Pläne, die die Koalition mit eigener Mehrheit beschließen kann, seien ein fundamentaler Systemwechsel weg von einem personalisierten Verhältniswahlrecht hin zu einem mehr oder weniger reinen Verhältniswahlrecht.
Abgeordnete, die in ihren Wahlkreisen direkt gewählt sind, würden den Ampel-Plänen zufolge nur noch zur Zählgröße und müssten eine sogenannte Zweitstimmendeckung haben. Dies werde dazu führen, dass eine größere Zahl direkt gewählter Abgeordneter nicht mehr in den Bundestag einziehe, sagte Merz. Dies sei ein "Wahlrecht des betrogenen Wählers" und gezielt vor allem gegen die CSU gerichtet. Laut den Ampel-Plänen müsse eine Partei, die in einem Bundesland kandidiere, in ganz Deutschland die Fünf-Prozent-Hürde überspringen, sonst fielen alle Wahlkreismandate weg. Dies sei "ein eklatanter Verstoß gegen das Demokratieprinzip".
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt forderte: "Dieses Gesetz muss, auch wenn es von der Ampel verabschiedet wird, beim Verfassungsgericht überprüft werden." Die geplante Streichung der sogenannten Grundmandatsklausel führe zur Missachtung des Föderalismus und des in der Verfassung verankerten Bundesstaatsprinzips.
Die Ampel-Koalition wird die umstrittene Wahlrechtsreform am Freitag im Bundestag voraussichtlich mit ihrer eigenen Mehrheit beschließen. Bei Abstimmungen in den Fraktionen stimmten am Dienstagnachmittag die Abgeordneten von Grünen und FDP jeweils einstimmig und die der SPD mit überwältigender Mehrheit zu. Das teilten die Fraktionschefs Rolf Mützenich (SPD), Britta Haßelmann (Grüne) und Christian Dürr (FDP) im Anschluss mit. Sie bezeichneten die Reform, durch die der auf 736 Abgeordnete angewachsene Bundestag auf 630 Mandate verkleinert wird, als "fair und verfassungsgemäß". Zugleich appellierten sie an die Union, die das Vorhaben strikt ablehnt und sich benachteiligt fühlt, der Reform doch noch zuzustimmen.
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