Finanzminister Christian Lindner (FDP) sagte am Montag bei einem Besuch in London: "Der beste Beitrag zur Glaubwürdigkeit der Vorschläge der Union würde darin bestehen, die Blockade gegen das von der Bundesregierung vorgelegte Wachstumschancengesetz aufzulösen. Wer noch mehr Entlastungen auch im steuerlichen Bereich wünscht, sollte ja zumindestens einmal mit der Zustimmung zu dem, was auf dem Tisch liegt, beginnen." Das Finanzministerium arbeite auch an weitergehenden steuerpolitischen Vorschlägen.
Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU) sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Das sogenannte Wachstumschancengesetz springt viel zu kurz, die Entlastung ist mickrig und die Ampel hatte es mit Bürokratie überfrachtet. Im Vermittlungsverfahren machen wir es nun deutlich besser, wir wollen zudem die Landwirtschaft entlasten, aber zum großen Wurf wird es nicht mehr." Deutschland brauche eine "grundsätzliche Wende" in der Wirtschaftspolitik.
Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hatten angesichts der Konjunkturflaute in einem Brief an Scholz zwölf Maßnahmen für die kommenden zwei Monate vorgeschlagen. Dazu zählen eine dauerhafte Senkung der Stromsteuer auf das europäische Minimum sowie stärkere Sanktionen für die verweigerte Arbeitsannahme von Bürgergeld-Beziehern.
Die Regierungssprecherin sagte, das Wachstumschancengesetz habe das Ziel, die Unternehmen und die deutsche Wirtschaft massiv zu unterstützen. Alle, denen die Dynamisierung der deutschen Wirtschaft tatsächlich am Herzen liege, seien zunächst einmal gehalten, diesem Gesetz zuzustimmen, sagte die Sprecherin in Richtung der Union.
Grünen-Chef Omid Nouripour zeigte sich ein "bisschen befremdet" über den Brief der Union. "Die schreiben auf, was ihnen eingefallen ist, und erklären mal wieder nicht, wie sie das gegenfinanzieren wollen", sagte er in Berlin. "Und gleichzeitig erklären sie, dass sie die Schuldenbremse nicht antasten wollen."
Lindner rief die Ampel-Koalition zu mehr Tempo und Ambition bei strukturellen Reformen zur Steigerung der deutschen Wettbewerbsfähigkeit auf. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und er seien beide der Meinung, dass der Standort Deutschland aktuell nicht mehr wettbewerbsfähig sei, sagte er nach einem Treffen mit deutschen Unternehmern und Vertretern der Finanzindustrie in London. Grund sei nicht nur die schwache Weltkonjunktur, es zeigten sich auch strukturell schlechtere Bedingungen. "Daraus werden wir die notwendigen Konsequenzen - wie ich hoffe - ziehen", sagte Lindner. Zumindest sei es für ihn undenkbar, aus einer solchen Lageanalyse keine Konsequenzen zu ziehen.
Der Bundesrat hatte das Wachstumschancengesetz blockiert, weil es zu Einnahmeausfällen bei den Ländern führt. Das Volumen der Entlastungen im Vermittlungsverfahren soll nun von geplanten sieben Milliarden Euro auf drei Milliarden Euro sinken. Am vergangenen Freitag hatten sich nach Ampel-Angaben Unterhändler geeinigt - die Union will allerdings nur zustimmen, wenn die Agrardiesel-Streichungen zurückgenommen werden.
Die Regierungssprecherin sagte, Kanzler Scholz sei der Meinung, dass ein größeres Volumen für die Wirtschaft das Richtige wäre. Der Vermittlungsausschuss tagt am 21. Februar.
Spahn sagte, sowohl Habeck als auch Lindner sähen den Standort Deutschland in akuter Gefahr. "Es wird höchste Zeit, entsprechend zu handeln. Dieses Rummäkeln an einem selbst verschuldeten Vermittlungsverfahren sollte sich die Ampel nun wirklich sparen."
Nouripour kritisierte, die Union lehne nach den Worten von Merz Verhandlungen mit der Regierung ab. "Ich finde, das ist keine verantwortungsvolle Politik." Der Grünen-Chef rief die Union auf, dem im Bundesrat feststeckenden Wachstumschancengesetz zuzustimmen. Dies sei ein Beitrag zur Entlastung der Wirtschaft und zur Ankurbelung von Investitionen.