Eine halbe Million US-Dollar, versteckt unter Sofakissen, bringen Südafrikas Staatschef Cyril Ramaphosa in Bedrängnis. Warum lagert der 70-Jährige so viel Bargeld auf seiner Rinderfarm? Und woher stammt es? Glasklar und glaubwürdig beantworten kann Ramaphosa die Fragen nicht - und so könnte Südafrika auch wegen seines Schweigens in eine Regierungskrise schlittern.
Am Freitagnachmittag wollte die Führungsspitze seiner Regierungspartei ANC zu einem Krisentreffen zusammenkommen und über Ramaphosas Zukunft beraten. Wie Parteisprecher Paul Mabe mitteilte, wird das Treffen nun kurzfristig auf diesen Sonntag verschoben. Die Verzögerung deutet jedoch auf eine tiefe Spaltung innerhalb des African National Congress (ANC) hin - und auf einen Ex-Präsidenten, der sich Ramaphosas Fehler zunutze machen will.
Seit Wochen schon steht Ramaphosa unter Druck. Im November kam ein Untersuchungsbericht des Parlaments zu dem Schluss, Ramaphosa habe gegen ein Anti-Korruptions-Gesetz sowie die Verfassung verstoßen. Dabei ging es um einen Raubüberfall, bei dem 2020 angeblich vier Millionen US-Dollar Bargeld von der privaten Büffelfarm des Präsidenten gestohlen wurden - deutlich mehr als die halbe Million, die Ramaphosa vor dem Untersuchungsausschuss zugegeben hatte. Außerdem hatte Ramaphosa ursprünglich lediglich den Überfall gemeldet, nicht aber das Verschwinden des Geldes.
Später hatte Ramaphosa versucht, die Herkunft der halben Million Dollar mit dem Verkauf von Rindern zu erklären - die Tiere waren jedoch noch immer auf seiner Farm. Seine Aussagen hatten Zweifel an der Aufrichtigkeit des Präsidenten aufgeworfen.
Allerdings steht auch die Glaubwürdigkeit des Berichts der Untersuchungskommission zur Debatte. Der Bericht stütze sich zu großen Teilen auf ungeprüfte Beweise und Hörensagen und sei damit «rechtlich fehlerhaft», sagt der Rechtswissenschaftler und politische Kommentator Richard Calland. Kein Präsident dürfe aufgrund eines Berichts zum Rücktritt gezwungen werden, der nicht hundertprozentig glaubwürdig sei. Ein solcher Rücktritt hätte schwerwiegende Folgen für die Demokratie, so Calland.
Es war Südafrikas ehemaliger Spionagechef Arthur Fraser, der Ramaphosa im Juni aufgrund von Geldwäsche und Bestechung angezeigt hatte. Fraser, dem selbst Nepotismus und Korruption nachgesagt werden, ist ein enger Verbündeter des Ex-Präsidenten Jacob Zuma. Die Anzeige gegen Ramaphosa kam zu einem für Zuma kritischen Zeitpunkt - das sich über Jahre hinziehende Korruptionsverfahren gegen ihn hatte wieder Fahrt aufgenommen. Fraser treibe ein gefährliches politisches Spiel mit dem Ziel, einen Fraktionskrieg anzuzetteln, sagt der südafrikanische Investigativ-Journalist und Kommentator Kyle Cowan.
Nach Ansicht politischer Experten geht es bei den Vorwürfen gegen Ramaphosa daher weniger um Korruption, sondern in erster Linie um politische Machtspiele innerhalb des in zwei Lager - eins um Ramaphosa und eins um Zuma - gespaltenen ANC. Ramaphosa hatte nach seinem Amtsantritt den Kampf gegen die Korruption und für die Rechtsstaatlichkeit angekündigt und die Kluft damit vertieft. Besonders deutlich wurde die innerparteiliche Spaltung Mitte 2021, als Ramaphosa sich weigerte, Forderungen nach der Freilassung Zumas nachzugeben. Dieser war verhaftet worden, nachdem er sich weigerte, in einer Korruptionsuntersuchung auszusagen.
Auf Zumas Verhaftung folgten über Tage heftige Ausschreitungen und Plünderungen in mehreren Teilen Südafrikas, vor allem aber in Zumas Heimatprovinz KwaZulu-Natal. Schäden in Millionenhöhe wurden verursacht, mehr als 300 Menschen kamen ums Leben. Analysten vermuteten damals, dass die Krawalle von Zuma-Anhängern organisiert worden waren, um Ramaphosa unter Druck zu setzen.
Ramaphosa ist einer der reichsten Männer Südafrikas. Vor gut 20 Jahren hatte sich der ehemalige Gewerkschaftsfunktionär zwischenzeitlich aus der Politik zurückgezogen und eine Investmentfirma gegründet, die in unterschiedlichen Branchen tätig ist. Im Jahr 2017 tauchte die Firma im Zusammenhang mit den Paradise Papers auf, die weltweite Steuerhinterziehung aufdeckten. Ramaphosa ist außerdem passionierter Viehzüchter, der 2017 ein Buch über eine ostafrikanische Hausrindrasse veröffentlicht hat. Nun könnten ihm ausgerechnet seine Rinder die Präsidentschaft kosten.
agenturen/pclmedia