Dass Cameron aus der politischen Versenkung aufersteht, mag auch damit zusammen hängen, dass es für die Tories seit seinem Ausscheiden aus der Politik, gelinde gesagt, nicht unbedingt bergauf ging. Auf ihn folgte Theresa May, die wegen ihres Mangels an Charisma von den Britinnen und Briten auch "Maybot" genannt wurde. Sie versuchte drei Jahre lang, die Abgeordneten von ihrem Brexit-Deal zu überzeugen. Vergeblich. Und so nahm sie im Juni 2019 ihren Hut. Als Hinterbänklerin ohne Ministerposten schießt sie seither verbal mal von rechts, mal von links auf ihre Nachfolger, insbesondere jedoch auf Boris Johnson. Schließlich war dieser für ihren Sturz mitverantwortlich.
Doch auch Johnsons politische Karriere, der zwar Charisma, aber dafür keine Skrupel hatte, endete im Sommer 2022 deutlich früher, als ihm lieb war. Der Druck auf ihn, zurückzutreten, wuchs nach Skandalen um diverse Lockdown-Partys in der Downing Street Nummer 10 und weitere Behörden, bei denen nachweislich viel Alkohol getrunken wurde und sich keiner um den Mindestabstand scherte. Weil er in Bezug auf die Feiern gelogen hatte, verlor er im Juni sogar seinen Parlamentspass. Johnson wäre jedoch nicht Johnson, wenn er seitdem nicht immer wieder von sich reden machen würde, etwa mit seiner Kolumne in der britischen Boulevardzeitung "Daily Mail".
Dort berichtet er seither etwa von seinen (missglückten) Versuchen, mit Pillen abzunehmen, oder wettert wortgewaltig gegen seinen politischen Erzfeind Rishi Sunak. Demnächst wird er überdies für den rechtspopulistischen britischen Fernsehsender GB News arbeiten. Er soll unter anderem über die britischen Parlamentswahlen berichten, hieß es. Plant Johnson, der wegen seiner Widerstandsfähigkeit immer wieder mit einer Teflon-Pfanne verglichen wurde, ein politisches Comeback? Es ist nicht ausgeschlossen.
Es ist seine Nachfolgerin, die durch ihr rasantes Versagen in Erinnerung geblieben ist, und durch ihre Verkennung der Realität. Denn obwohl Liz Truss im vergangenen Oktober nach nur wenigen Wochen aus dem Amt gejagt wurde, weil sie mit ihren "Trussonomics" die Wirtschaft des Landes in Aufruhr versetzt hatte, meldet sie sich die Abgeordnete seither immer wieder zu Wort, als wäre nichts geschehen. Erst an diesem Dienstag veröffentlichte die von ihr ins Leben gerufene "Wachstumskommission" einen alternativen Haushalt, der "aufregende" wirtschaftspolitische Maßnahmen enthält, wie es hieß. Sie plane kein Comeback, wolle aber weiter Einfluss nehmen. Einer, der Truss bei diesen Plänen unterstützt, ist der wohl bekannteste Brexiteer überhaupt: Nigel Farage.
Der frühere Chef der EU-skeptischen und rechtspopulistischen Ukip-Partei verließ die politische Bühne nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU und trat in den letzten Jahren vor allem als Moderator bei GB News in Erscheinung. Jetzt sucht der 59-Jährige mit dem Skilehrer-Teint eine neue Herausforderung ‒ im australischen Dschungel. Er wird ab kommenden Sonntag in der britischen Realityshow "I’m a Celebrity ... Get Me out of Here!" ("Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!") teilnehmen. Dabei entscheiden die Zuschauerinnen und Zuschauer, wer bei den Ekelprüfungen am härtesten herangenommen wird.
Farage macht sich jedenfalls nicht viele Hoffnungen, verschont zu werden. Aber er sehe darin auch eine Chance. "Ich hoffe, dass all jene, die mich hassen, mich danach etwas weniger hassen als vorher."