Vor knapp zwei Wochen hatten serbische Paramilitärs kosovarische Polizisten angegriffen. An der nördlichen Grenze des Kosovo hat Serbien zudem laut Berichten des Kosovo und der USA Truppen zusammengezogen – dies wird als Drohgeste empfunden. Hintergrund der Auseinandersetzung ist, dass Serbien die 2008 nach erbitterten Kämpfen erfolgte Loslösung seiner ehemaligen Provinz nicht akzeptiert. Im Kosovo fühlt sich die serbische Bevölkerungsminderheit von der albanischen Mehrheit benachteiligt bis bedroht.
Offen ist noch, ob es als Entspannungssignal gewertet werden kann, dass Serbien mittlerweile den mutmaßlichen Anführer der jüngsten Attacken, Milan Radojcic, vorläufig festgenommen hat. Auch am Rande des EU-Gipfels im spanischen Granada könnte versucht werden, die Lage zu beruhigen. Als Problem gilt dabei der große Einfluss Russlands auf Serbien. Moskau dürfte ein Interesse daran haben, die Annäherung des Westbalkans an die EU zu unterlaufen. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Michael Roth (SPD), hatte bereits Sanktionen gegen Serbien als mögliches Druckmittel bezeichnet.
In der EU ist das Interesse weiterhin groß, die Westbalkanländer Bosnien, Serbien, Nordmazedonien, Montenegro, Albanien und Kosovo beim Aufnahmeprozess nicht zu trennen. Seit Jahren laufen im Rahmen des unter der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel angestoßenen sogenannten "Berliner Prozesses" Vorbereitungsrunden für den Beginn des Beitrittsprozesses. Gesprochen wird unter anderem über den Abbau von Grenzkontrollen, eine bessere wirtschaftliche Kooperation der sechs Länder sowie über die gegenseitige Anerkennung von Hochschul- und Berufsabschlüssen.
Dabei ist der Konflikt zwischen Kosovo und Serbien nicht das einzige Hindernis. Nationalistische Tendenzen, die dem Prinzip der europäischen Einigung widersprechen, treten auch anderswo zutage, etwa in der bosnischen Teilrepublik Republica Srpska. Mit Misstrauen beobachtet wird in der EU das Engagement Chinas in der Region, das zum Beispiel Infrastrukturprojekte finanziert.
Umgekehrt dürften aus den Staaten des Westbalkans drängende Fragen an die EU-Vertreter gestellt werden. Gerade erst hat EU-Ratspräsident Charles Michel der Ukraine einen EU-Beitritt bis zum Jahr 2030 in Aussicht gestellt. Er hat dies von Reformen in dem Land abhängig gemacht. Immer wieder haben EU-Vertreter und auch Mitglieder der Bundesregierung deutlich gemacht, dass es für die Ukraine keine erleichterten Aufnahmebedingungen geben werde. Allerdings berichten Diplomaten auch davon, dass es in den Westbalkanländern das Gefühl gebe, nach Jahren der Wartezeit ins Hintertreffen zu geraten.