Fahrgäste müssen sich darauf einstellen, dass die GDL zügig in den Arbeitskampf geht. Weselsky hat bereits angekündigt, sich nicht lange mit Warnstreiks aufhalten zu wollen, für die es enge Vorgaben gibt. Er setzt auf eine rasche Urabstimmung unter den Gewerkschaftsmitgliedern, um unbefristete Streiks durchführen zu können. Konkret kündigte die GDL noch keine Aktionen an. Aber Weselsky hat bislang stets betont, dass auch die Feiertage über Weihnachten nicht tabu sind für Arbeitskämpfe.
Die GDL hat zwar deutlich weniger Mitglieder als die EVG. Doch sie vertritt traditionell vor allem die Lokführer und das Zugpersonal. Wenn sie streiken, fahren auch keine Züge. Die Gewerkschaft hat bei vorigen Tarifrunden oft bewiesen, auch über längere Zeit den Bahnverkehr bundesweit vollständig lahmlegen zu können.
Die Gewerkschaft fordert 555 Euro mehr pro Monat sowie eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 3000 Euro - abzüglich eines bereits gezahlten Teils dieser steuer- und abgabenfreien Einmalzahlung. Die Laufzeit soll zwölf Monate betragen. Als Knackpunkt der Verhandlungen gilt aber vor allem die Forderung, die Arbeitszeit für Schichtarbeiter von 38 auf 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich abzusenken. Weselsky will damit eigenen Aussagen zufolge die Attraktivität des Berufs angesichts des flächendeckenden Fachkräftemangels erhöhen.
"Wir haben zu wenig Lokführer, zu wenig Zugbegleiter, jetzt zu wenig Fahrdienstleiter, zu wenig Werkstattmitarbeiter", sagte der GDL-Chef vor wenigen Wochen der Deutschen Presse Agentur. Das liege nicht am demografischen Wandel. "Sondern es ist die Unattraktivität der Berufe, der Tätigkeiten, die im Eisenbahnsystem nun mal 24 Stunden, sieben Tage die Woche und 365 Tage im Jahr laufen."
Die Bahn hat die GDL-Forderungen bereits als "unerfüllbar" zurückgewiesen. "Wenn wir das vollumfänglich umsetzen würden, müssten wir im Schichtdienst rund 10.000 Mitarbeiter zusätzlich einstellen", sagte Personalvorstand Martin Seiler kürzlich in Berlin.
Wie schon bei den vorigen Tarifrunden der GDL ist dieser Konflikt geprägt von der Debatte um das sogenannte Tarifeinheitsgesetz. Es sieht vor, dass in einem Betrieb mit mehreren Gewerkschaften nur der Tarifvertrag der mitgliederstärkeren Arbeitnehmervertretung umgesetzt wird. Bei den rund 300 Betrieben der Deutschen Bahn ist das in der Regel die EVG.
In lediglich 18 Bahn-Unternehmen kommen derzeit die GDL-Verträge zur Anwendung. Doch aus Sicht der Lokführer-Gewerkschaft gibt es kein gesichertes Feststellungsverfahren der Mitgliederzahl in den jeweiligen Betrieben. Sie klagt deshalb in mehreren Verfahren gegen die Festlegungen des Konzerns, bei einigen bereits in letzter Instanz vor dem Bundesarbeitsgericht.
Die GDL ist deshalb darum bemüht, ihren Einflussbereich bei der Bahn auszuweiten. In dieser Tarifrunde will sie auch für die Beschäftigten der Infrastruktursparte verhandeln. Die Bahn lehnt das ab. Bislang hat die GDL dort keine eigenen Tarifverträge.
Auch mit Blick auf das Tarifeinheitsgesetz hat die Gewerkschaft im Sommer angekündigt, eine eigene Leihfirma in Form einer Genossenschaft gründen zu wollen. Laut Weselsky ist das bereits geschehen. Derzeit liefen Einstellungsgespräche, betonte er kürzlich. Die Beschäftigten dieser Firma könnten nun zu GDL-Konditionen an die Bahn ausgeliehen werden. Auf diese Weise könnten auch in den Betrieben die GDL-Tarifverträge angewendet werden, in denen eigentlich die EVG eine Mehrheit unter den Beschäftigten hat.
Denn die Genossenschaft handelt ihre Tarifverträge nicht mit der Bahn aus, sondern mit der GDL. Ein entsprechender Haustarifvertrag sei bereits vereinbart worden, sagte Weselsky. "Die Genossenschaft ist die Lösung für diese Unverschämtheit", sagte Weselsky der "Süddeutschen Zeitung" mit Blick auf das Tarifeinheitsgesetz.