Nein - das beteuern sowohl die EZB als auch die EU-Kommission immer wieder. Der digitale Euro sei eine Ergänzung zu Schein und Münze, kein Ersatz für Bargeld. "Der digitale Euro wäre eine elektronische Form von Bargeld für die digitalisierte Welt. Mit ihm hätten Verbraucherinnen und Verbraucher die Möglichkeit, neben Banknoten und Münzen auch eine digitale Form von Zentralbankgeld zu nutzen", erklärt die EZB.
Brüssel will sogar per Gesetz sicherstellen, dass Bargeld in der Europäischen Union weiterhin breit akzeptiert wird und Verbraucher flächendeckend Zugang dazu haben. "Um den Status des Bargelds als gesetzliches Zahlungsmittel in der Praxis zu erhalten, muss der leichte Zugang zu Euro-Bargeld gewährleistet sein, denn wenn die Bürger keinen Zugang zu Bargeld haben, können sie nicht damit bezahlen und der Status als gesetzliches Zahlungsmittel wird untergraben", heißt es in einem Ende Juni vorgelegten Gesetzesvorschlag der EU-Kommission. Verbraucherinnen und Verbraucher sollen frei entscheiden können, ob sie bar oder unbar bezahlen.
Nach Überzeugung des Bundesbank-Präsidenten Joachim Nagel wird der digitale Euro in wenigen Jahren zum Alltag der Menschen gehören. In etwa vier Jahren "werden wir (...) mit dem digitalen Euro bezahlen können", sagte Nagel im Juli.
Bezahlen ohne Scheine und Münzen gewinnt an Bedeutung. Zwar ist Bargeld im Euroraum immer noch das am häufigsten verwendete Zahlungsmittel an der Ladenkasse, wie aus einer Ende Dezember veröffentlichten Studie der EZB hervorgeht. Doch gemessen am Wert übertrafen Kartenzahlungen erstmals Scheine und Münzen. Die Corona-Pandemie habe den Trend zu elektronischen Zahlungsmitteln beschleunigt, stellten die Euro-Währungshüter fest. Eine Mehrheit der Verbraucher bevorzuge nun elektronische Zahlungsmittel.
Der digitale Zahlungsverkehr in Europa ist dominiert von ausländischen Anbietern. Allen voran der US-Riese Paypal, aber auch Apple Pay oder Google Pay als Bezahldienste großer US-Tech-Konzerne werden zunehmend genutzt. Dem wollen die Europäer ein eigenes Angebot entgegensetzen. Mit einem digitalen Euro würde die Abhängigkeit von internationalen Konzernen sinken, die Menschen bekämen eine Digitalwährung, deren Stabilität durch die EZB garantiert wäre.
Im Gegensatz zu sogenannten Kryptowährungen wie Bitcoin und Ether, deren Kurse oft stark schwanken, böte die Einführung einer virtuellen europäischen Währung Privatanlegerinnen und -anlegern eine stabilere Alternative, da sie eins zu eins an den Euro gekoppelt wäre. Wenn es insgesamt mehr Angebote für das digitale Bezahlen gibt, könnte das nach Einschätzung von EZB und EU-Kommission auch dazu führen, dass deren Nutzung billiger wird: "Mit einem digitalen Euro würden (...) die Gebühren sinken, die Verbraucher für Zahlungen entrichten, denn er würde den Wettbewerb in Europa beflügeln."
Banken könnten den digitalen Euro wie Bargeld von den Notenbanken beziehen. Verbraucher würden ihn in einer digitalen Geldbörse, einer sogenannten Wallet, gutgeschrieben bekommen. Dann könnte man zum Beispiel per Smartphone überall im Euroraum mit dem digitalen Euro bezahlen. Nach Angaben von Bundesbank-Vorstand Balz zeichnet sich ab, "dass der digitale Euro auch in einer Offline-Variante zur Verfügung gestellt würde". Somit wären Zahlungen auch dann möglich, wenn Internet- oder Mobilfunkverbindung gerade nicht funktionieren.
Weil der digitale Euro wie das Euro-Bargeld den Status eines gesetzlichen Zahlungsmittels haben soll, wären Händler verpflichtet, den digitalen Euro zu akzeptieren. Allerdings sind Ausnahmen vorgesehen: Ein kleiner Kiosk, der bisher nur Bargeld annimmt, weil er kein Kartenlesegerät hat, soll nicht zur Annahme gezwungen werden.
Vor allem das Thema Datenschutz treibt viele Menschen um. Wie bei anderen digitalen Bezahlvorgängen könnten beim digitalen Euro umfassende Informationen über einzelne Geschäftsaktivitäten gesammelt werden. Die Entwickler nehmen die Bedenken sehr ernst, wie Bundesbank-Vorstand Balz versichert. Datenschutz und die Wahrung der finanziellen Privatsphäre seien wichtige Eigenschaften eines digitalen Zahlungsmittels. Balz sagt aber zugleich: "Vollständige Anonymität kann es dabei nicht geben, da natürlich die Vorschriften zur Geldwäschebekämpfung und zur Verhinderung von Terrorismusfinanzierung einzuhalten sind. Aber es ist durchaus vorstellbar, dass geringe Beträge mit einem nochmals höheren Grad an Privatsphäre abgewickelt werden können."
In mehr als 100 Staaten beschäftigten sich derzeit Experten mit der Entwicklung und Anwendung digitalen Zentralbankgeldes (Central Bank Digital Currencies - CBDC). China zum Beispiel arbeitet schon länger an einer digitalen Variante seiner Währung Renminbi. In Europa vergleichsweise weit vorangeschritten ist das Projekt E-Krona der schwedischen Zentralbank, denn in dem skandinavischen Land wird Bargeld kaum noch genutzt. Auch die Briten treiben das Thema voran: Anfang Februar 2023 teilten das britische Finanzministerium und die Bank of England mit, die Einführung eines digitalen Pfunds zu prüfen.