Der Republikaner will gegen den demokratischen Präsidenten Joe Biden ins Rennen gehen - vor allem aber gegen seinen früheren Chef, Ex-Präsident Donald Trump, der sich bei der Wahl 2024 ebenfalls für eine zweite Amtszeit bewirbt. Dass ein früherer Vizepräsident seinen Ex-Chef im Wahlkampf herausfordert, ist per se ein bemerkenswerter Vorgang. Im Fall von Pence und Trump gilt das umso mehr.
Niemand hat ein derart gespaltenes Verhältnis zu dem ehemaligen Präsidenten wie Pence. Vier Jahre lang stand er treu ergeben als Vize an Trumps Seite, stets überloyal, fast unterwürfig. Kein öffentliches Statement von Pence ohne Preisung des Chefs. Stoisch ließ Pence alle Skandale des damaligen Präsidenten über sich ergehen, selbst jene, die Pence als evangelikalen Christen an die moralische Belastungsgrenze brachten. Dies endete erst in jenem Moment, ganz am Ende der Amtszeit, als Trump seine Anhänger offen gegen Pence aufhetzte, als der Mob des Präsidenten "Hängt Mike Pence" johlte und der Vizepräsident um sein Leben fürchten musste.
Es war der 6. Januar 2021. Jener Tag, an dem der Kongress unter Pence' Vorsitz Bidens Wahlsieg formal bestätigen sollte - und jener Tag, der ausartete in einen nie dagewesenen Anschlag auf die US-Demokratie. Trump sah seinen Stellvertreter damals als letzten Ausweg in seinem beispiellosen Feldzug gegen den Wahlausgang und behauptete, Pence könne in seiner Rolle als Vizepräsident Wahlergebnisse aus einzelnen Bundesstaaten einfach abweisen - was Fachleute als unrechtmäßig abtaten und auch Pence rigoros verwarf. Während Trumps Anhänger damals den Kongresssitz erstürmten, twitterte der damalige Präsident, Pence habe "nicht den Mut gehabt, das zu tun, was getan werden sollte". Der Mob schrie daraufhin "Hängt Mike Pence". Trumps Stellvertreter musste sich mit Sicherheitsleuten in einer Garage unter dem Kapitol-Komplex verstecken, während draußen vor dem Gebäude ein Strick an einem Galgen baumelte.
"Es ist nicht gut ausgegangen", sagte Pence viele Monate danach in einem Interview über sein "enges Arbeitsverhältnis" zu Trump. Das ist dezent ausgedrückt dafür, dass ein amtierender Präsident seinen Vize vor den Augen der Welt einer gewalttätigen Meute auslieferte. Pence nannte Trumps Verhalten später gefährlich und falsch. Die Geschichte werde Trump dafür zur Rechenschaft ziehen, mahnte er. Und ja, er sei "sauer" gewesen auf Trump. Das klingt einigermaßen zurückhaltend. Pence' Absetzbewegungen kamen in gemäßigter Tonalität daher.
Der Republikaner versucht sich in dem nahezu unmöglichen Spagat, auf größtmögliche Distanz zu Trump zu gehen, ohne dessen Anhänger zu verprellen. Er muss die Arbeit aus der gemeinsamen Regierungszeit anpreisen, um seine eigene Bilanz aufzupolieren, und den Menschen gleichzeitig erklären, warum er Trump für den falschen Mann im Weißen Haus hält. Von allen republikanischen Präsidentschaftsanwärtern, die sich in diesem Dilemma befinden, hat es Pence am schwersten - wegen seiner aufgeladenen gemeinsamen Geschichte mit Trump.
Bei vielen inhaltlichen Themen vertritt Pence ähnlich knallharte Rechtsaußen-Positionen wie Trump. "Ich war Tea-Party, bevor das cool war", sagte Pence 2011 über sich selbst, mit Blick auf die erzkonservative Tea-Party-Bewegung innerhalb seiner Partei. Manch liberaler Demokrat hielt Pence während der Trump-Jahre für den politisch "gefährlicheren" von beiden - weil er ultrakonservative Positionen vertritt, ohne Trumps Hang zu Chaos und Skandal zu teilen. Auf menschlicher Ebene könnten die beiden unterschiedlicher nicht sein. Da wäre Pence, der brave Christ, der strenge Evangelikale, für den es schon eine Grenzüberschreitung ist, alleine mit einer anderen Frau als seiner Ehefrau ein Essen einzunehmen. Der Veranstaltungen, wo Alkohol ausgeschenkt wird, nur besucht, wenn er seine Frau an seiner Seite hat. Dagegen steht Trump, der sich in der Vergangenheit damit rühmte, ein Prominenter könne Frauen überall anfassen, auch an ihren Genitalien. Der vor Gericht für einen sexuellen Übergriff verantwortlich gemacht wurde und sich in einem Verfahren wegen dubioser Schweigegeldzahlungen an einen Pornostar verantworten muss.
Trump holte Pence nicht zufällig an seine Seite. Der Vize deckte für Trump die wichtige Wählergruppe der Evangelikalen ab, versorgte seinen skandalumwobenen Chef nach außen hin mit einem Anstrich von Solidität und Moral, zumindest nach konservativem Ermessen. Pence sagt von sich selbst regelmäßig, er sei "ein Christ, ein Konservativer und ein Republikaner - in der Reihenfolge". Er beschreibt seinen christlichen Glauben und die Ehe mit seiner Frau Karen als die wichtigsten Einflüsse in seinem Leben - mutmaßlich ebenfalls in dieser Reihenfolge. Der 64-Jährige spricht oft und viel über Religion. Sein jüngstes Buch heißt "So wahr mir Gott helfe".
Bei strenggläubigen Christen im Land könnte Pence durchaus punkten. Durch seine Zeit als Vizepräsident ist er auch weithin bekannt. Nur: Sehr beliebt ist er nicht. Manchen Republikanern ist der Mann mit dem Image des braven Staatsdieners zu steif, zu langweilig, zu wenig charismatisch. Manche hartgesottenen Trump-Fans wiederum sehen ihn als "Verräter". In Umfragen liegt Pence derzeit zwar vor der früheren US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley, und anderen. Aber weit hinter Floridas Gouverneur, Ron DeSantis - und komplett abgeschlagen hinter Trump.
dp/fa