Laut dem Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung laufen bis Dezember 2024 für knapp zwölf Millionen Beschäftigte von den DGB-Gewerkschaften vereinbarte Tarifverträge aus. So läuft im Juni 2024 der Tarifvertrag der Chemischen Industrie aus. Im Herbst sollen auch in der Metall- und Elektroindustrie wieder Tarifverhandlungen beginnen.
In den vergangenen Monaten hätte die Reallöhne nicht zuletzt durch Zahlungen zum Inflationsausgleich angehoben werden können, so Fahimi. "Das ist nicht zuletzt auch volkswirtschaftlich sinnvoll, weil es in einer schwierigen konjunkturellen Lage verhindert, dass auch noch die Kaufkraft wegknickt." So waren für den öffentlichen Dienst, bei Chemie sowie Metall und Elektro 2023 und 2022 Inflationsausgleichszahlungen in Höhe von jeweils insgesamt 3000 Euro vereinbart worden.
"Das gern erzählte Märchen, unsere Lohnabschlüsse seien möglicherweise ein zusätzlicher Inflationstreiber, ist im Übrigen widerlegt." Das bestätigten alle Ökonomen - und das sei auch an der inzwischen wieder gesunkenen Preissteigerungsrate eindeutig ablesbar.
"Das eigentliche Problem ist, dass eben nur noch jeder Zweite unter diesem Schutz von Tarifverträgen steht", sagte Fahimi. "Wo das nicht der Fall ist, gibt es teils immense Kaufkraftverluste." Dort entspreche die Lohnentwicklung nicht der Preissteigerung – gerade bei Einkommensgruppen, die am unteren Rand lägen.
Fahimi pochte daher auf das von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) geplante Gesetz zur Tariftreue. Heil will die Vereinbarung im Koalitionsvertrag umsetzen, nach der bei öffentlichen Aufträgen des Bundes nur noch Unternehmen zum Zug kommen sollen, die sich an Tarifverträge halten. "Ich appelliere an die Bundesregierung, jetzt endlich das Bundestariftreue-Gesetz umzusetzen", sagte Fahimi.
"Das wäre ein wichtiges Signal, dass mit öffentlichen Geldern nicht weiter Geschäftsmodelle mitfinanziert werden, die unserem Verständnis von Sozialpartnerschaft widersprechen." Bei mehr Tarifbindung gehe es um gute Arbeitsbedingungen. "Wenn das nicht passiert, wird die Politik mehr und mehr vor der Herausforderung stehen, ausbeuterische Arbeitsverhältnisse überhaupt noch in den Griff zu bekommen", mahnte die DGB-Chefin. "Und der volkswirtschaftliche Schaden durch ausbleibende Einkommenssteuer, Sozialversicherungsbeiträge und Kaufkraftverlust summiert sich bereits auf 130 Milliarden Euro."