In einer dramatischen Zuspitzung der Lage hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erneut an die westlichen Verbündeten appelliert, der Ukraine die Erlaubnis zu erteilen, gelieferte Waffen auch gegen Ziele tief in Russland einzusetzen. Hintergrund dieser Forderung sind die jüngsten schweren Raketenangriffe auf die Großstadt Dnipro und andere Regionen des Landes, darunter Charkiw. Bei dem Angriff auf Dnipro wurden fünf Menschen getötet und mehr als 50 verletzt. Auch Wohngebäude und ein Krankenhaus erlitten schwere Schäden.
Charkiw, die zweitgrößte Stadt der Ukraine, wurde erneut Ziel russischer Raketenangriffe. Dabei kamen Lenkbomben zum Einsatz, die erheblichen Schaden anrichteten. Laut ukrainischen Behörden wurden bei einem Angriff auf einen Vorort von Charkiw 14 Menschen verletzt. Die Angriffe auf Charkiw und andere Regionen verdeutlichen die anhaltende Bedrohung, der die Ukraine ausgesetzt ist.
In seiner abendlichen Videoansprache betonte Selenskyj die Notwendigkeit, die Einsatzregeln für die gelieferten westlichen Waffen zu erweitern. „Wir können das alles nur mit mehr Luftverteidigungssystemen und nur mit mehr Langstreckenangriffen auf die Stützpunkte und Luftstützpunkte der russischen Terroristen stoppen“, erklärte er. Der ukrainische Präsident hat mehrfach darauf hingewiesen, dass die derzeitigen Beschränkungen die Effektivität der ukrainischen Verteidigung erheblich einschränken.
Aktuell darf das ukrainische Militär schwere Waffen nur im Frontgebiet sowie im Grenzgebiet östlich von Charkiw einsetzen. Die Verbündeten haben bislang Bedenken, dass Angriffe tief im russischen Staatsgebiet zu einer Eskalation des Konflikts führen könnten. Diese Zurückhaltung hat dazu geführt, dass die Ukraine für solche Angriffe vorwiegend auf Drohnen zurückgreift, die jedoch nicht die Sprengkraft von Marschflugkörpern oder Raketen besitzen.
Die Ukraine hofft, dass beim bevorstehenden Nato-Gipfel eine Entscheidung zugunsten einer Lockerung der Einsatzregeln getroffen wird. Der Bedarf an weiteren Luftverteidigungssystemen ist dringend, insbesondere an Patriot-Systemen. Derzeit sind vier dieser Systeme in der Ukraine im Einsatz, zwei davon stammen aus Deutschland. Selenskyj hat den weiteren Bedarf seines Landes auf mindestens sechs zusätzliche Systeme geschätzt.
Parallel zu den Angriffen auf Charkiw und andere Städte intensivieren sich die Kämpfe in der Ostukraine, insbesondere in der Region Donezk. Rund um die Stadt Pokrowsk versuchen russische Truppen, die Verteidigungslinien der Ukrainer zu durchbrechen. Laut der 47. mechanisierten Brigade der ukrainischen Streitkräfte setzt das russische Militär verstärkt auf Infanterieangriffe, unterstützt von Kampfdrohnen, da ihnen offenbar gepanzerte Fahrzeuge ausgegangen sind.
Die Lage in der Ukraine bleibt angespannt, und die Forderungen nach erweiterten Einsatzmöglichkeiten für westliche Waffen sowie zusätzlichen Luftverteidigungssystemen spiegeln die Dringlichkeit wider, mit der die Ukraine ihre Verteidigungsfähigkeiten stärken muss. Die Hoffnung ruht nun auf dem bevorstehenden Nato-Gipfel, der möglicherweise entscheidende Weichenstellungen für die Unterstützung der Ukraine setzen könnte.