Der bfg, der Söder "die weitere Christianisierung des – zumindest bayerischen – Abendlandes" vorwirft, hatte gegen die Regelung geklagt - und im Sommer vergangenen Jahres vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in zweiter Instanz eine Niederlage kassiert.
Doch der Gang nach Leipzig bringt auch neue Hoffnung. "Es ist nicht ungewöhnlich, dass verschiedene Gerichte und Richter unterschiedliche Rechtsauffassungen haben", sagt Tammelleo. "Ohne sich weit aus dem Fenster lehnen zu wollen, so ist es aus unserer Sicht beinahe zu erwarten gewesen, dass insbesondere bayerische Gerichte politisch näher an der Politik der bayerischen Staatsregierung sind als andere, zum Beispiel außerhalb Bayerns."
Im April 2018 hatte das bayerische Kabinett auf Initiative des damals frisch zum Ministerpräsidenten aufgestiegenen Söders den Kreuzerlass beschlossen. Trotz heftiger Kritik - sogar von den Kirchen, die ihm vorwarfen, das christliche Symbol für Wahlkampfzwecke zu missbrauchen - trat er im Juni 2018 in Kraft.
In Paragraf 28 der Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaats heißt es seither: "Im Eingangsbereich eines jeden Dienstgebäudes ist als Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns gut sichtbar ein Kreuz anzubringen."
Der Verwaltungsgerichtshof in München sah in den Kreuzen im Wesentlichen passive Symbole "ohne missionierende und indoktrinierende Wirkung", wie es in den Entscheidungsgründen hieß.
Zwar könne das Kreuz "für den Nichtchristen oder den Atheisten" zu einem "sinnbildlichen Ausdruck bestimmter Glaubensüberzeugungen und zum Symbol seiner missionarischen Ausbreitung" werden, urteilte das Gericht damals. Doch: "Ein Verstoß gegen das Gebot staatlicher Neutralität, der sich in einer bloß passiven Verwendung eines religiösen Symbols ohne missionierende oder indoktrinierende Wirkung erschöpft und mit keinen weiteren Nachteilen für andere Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften verbunden ist, verletzt weder deren Recht auf Glaubens- und Bekenntnisfreiheit noch auf Gleichbehandlung."
Final abgewiesen wurden damals aber nur die Klagen von 25 Einzelpersonen, die sich dem Bund für Geistesfreiheit und seiner Klage angeschlossen hatten. Weil der Verwaltungsgerichtshof die Revision der religionskritischen Vereinigung zum Bundesverwaltungsgericht aber zuließ, geht es dort nun in die nächste Instanz.
"Was die Menschen persönlich glauben, welchem Gott sie vertrauen, welcher Religionsgemeinschaft sie angehören, das ist ihre ganz persönliche, private Entscheidung", betont Tammelleo. "Bei der Religions- und Glaubensfreiheit handelt es sich um eine Errungenschaft, die mühsam und langwierig genug von couragierten Menschen für alle erkämpft worden ist." Was jemand glaube und ob überhaupt, dass dürfe "in einem demokratischen Rechtsstaat keine Rolle spielen", sagte sie. "Schließlich leben wir hierzulande nicht in der Türkei oder im Iran."
Sollte das Bundesverwaltungsgericht die Sicht der Vorinstanz bestätigen und die Klage abweisen, muss das aus Sicht des bfg noch nicht das Ende sein. "Es ist klar: wenn wir eine solche Klage erheben, dann müssen wir durch alle Instanzen gehen können und wollen", sagt Tammelleo. "Wenn wir in Leipzig unterliegen, so ist die Zuversicht dann nur temporär ein wenig gebrochen. Dann wird es doch wohl möglich sein, mit diesem Anliegen bis vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen."