Zwischen 100 und 150 Gesetzesvorschläge liegen noch auf dem Tisch. Die wichtigsten müssen in den ersten Wochen verabschiedet werden, sagen Beobachter. Dazu gehören das KI-Gesetz und das umstrittene Asylpaket, auf das man sich im Dezember informell geeinigt hatte. "Belgien muss das Asylergebnis jetzt über die Ziellinie bringen", drängte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
"Schützen, Stärken, Vorbereiten" hat der belgische Premierminister Alexander de Croo als Motto für die Ratspräsidentschaft auferlegt und sechs Prioritäten aufgestellt. Er will die Unterstützung für die Ukraine verstärken und dafür Ungarns Regierungschef Orban bei einem Sondergipfel im Februar umstimmen. Dieser hatte zuletzt EU-Hilfen für Kiew blockiert. Die Belgier gelten als Meister des Kompromisses, doch sollte Orban stur bleiben, schließt de Croo die Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips nicht aus. Kommissionspräsidentin von der Leyen kündigte Lösungsvorschläge für die Blockade Ungarns an. "Belgiens Hauptaufgabe ist es dann, so schnell wie möglich eine politische Mehrheit im Rat und im Parlament zu finden", machte von der Leyen deutlich. Die Auseinandersetzung mit Ungarn bleibt in jedem Fall eine große Herausforderung für Belgien.
Weitere Ziele für die nächsten sechs Monate sind der Kampf gegen den Klimawandel und die Erweiterung der EU. "Bevor die EU größer werden kann, muss sie besser werden und schneller Entscheidungen treffen können", so der belgische Premierminister. Ein zentrales Anliegen ist ihm die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Europas. Kritische Produkte und Industriezweige, vor allem im Gesundheits- und Energiesektor, sollen in Europa angesiedelt werden. Dazu gehören unter anderem die Herstellung von Solaranlagen, Mikrochips und FFP2-Masken. Die letzten Krisen hätten gezeigt, wie fatal die Abhängigkeit von Asien und Russland sei, so de Croo.
Unterstützung erhofft sich Belgien auch von Deutschland, das sich beispielsweise bei Solaranlagen ebenfalls für eine stärkere europäische Industrie einsetzt. Kritische Komponenten wie Steuerungsmodule für Windkraftanlagen könnten zudem mit einem Exportverbot nach Asien belegt werden.
Außenministerin Lahbib will zudem eine bessere Finanzierung der Europäischen Union erreichen und neue Einnahmequellen generieren. Hintergrund sind die gestiegenen Zinskosten im EU-Haushalt, inflationsbedingt höhere Ausgaben für EU-Programme wie Erasmus und Horizon sowie Mittel für neue Beitrittskandidaten wie Moldau und die Ukraine. Seit längerem wird daher über eine eigene Steuer diskutiert, die von der EU erhoben werden könnte. Zuletzt gab es etwa Forderungen nach einer europäischen Finanztransaktionssteuer oder einer EU-Steuer auf Übergewinne großer Konzerne.
Die Ziele Belgiens sind ehrgeizig, und die Sieben-Parteien-Koalition steht in diesem Jahr selbst vor Provinzial-, Kommunal- und Parlamentswahlen. Dennoch zeigt sich Außenministerin Lahbib entschlossen, noch vor der Europawahl im Juni Ergebnisse zu liefern. "Wir sind besser darin, Lösungen zu finden, als Probleme zu schaffen."