Als General Manager von Rising S Bunkers in Texas bietet Lynch hochwertige, autarke Doomsday-Bunker an – für sogenannte Doomsday-Prepper, die sich vor einem Endzeitszenario schützen wollen, sei es ein Asteroideneinschlag, ein Weltkrieg oder die nukleare Katastrophe. Lynch sitzt zwar in den USA, doch ein Großteil seiner Kundinnen und Kunden will seine Produkte an einem Ort, der im Worst-Case-Szenario als einer sichersten der Welt gilt: Neuseeland. "Wir erhalten jedes Jahr Tausende von Anfragen aus Neuseeland", schreibt er in einer E-Mail, in der er auch bestätigt, dass der Trend nicht von der Pandemie ausgelöst wurde. Die Verkäufe nach Neuseeland seien schon vor der Corona-Krise "recht gut" gelaufen, meint er. Die Pandemie habe aber zu einer ganz neuen Nachfrage geführt.
Inzwischen hat die Welt die Pandemie weitestgehend hinter sich gelassen – trotzdem wirkt 2023 mit zwei Kriegsherden fast noch apokalyptischer als die Jahre zuvor. Die derzeitigen geopolitischen Krisen zeigen laut Lynch besonders, warum Neuseeland das ideale Land ist, um ein Endzeitszenario zu überleben. "Neuseeland ist eines der wenigen Länder auf diesem Planeten, das keine wirklichen Feinde hat, und versucht, neutral zu bleiben", meint er. Dies macht das Land seiner Meinung nach zu einem der sichersten Orte der Welt.
2021 bestätigte dies auch die Wissenschaft: Damals analysierten britische Forscher, wo sich ein völliger Kollaps der Erde am ehesten überleben ließe. Die Studie der Forschenden kam wie Lynch auf Neuseeland – trotz Erdbebengefahr und aktiven Vulkanen in dem Inselstaat. Danach folgten die australische Insel Tasmanien, Irland, Island und Großbritannien. All diese Orte haben gemeinsam, dass es sich um Inseln handelt, für die es leichter ist, ihre Grenzen zu überwachen und Migration damit erfolgreich zu begrenzen. Außerdem weisen alle eine derzeit geringe Temperatur- und Niederschlagsvariabilität auf. Das heißt, dass dort trotz der Auswirkungen des Klimawandels vermutlich relativ stabile Bedingungen bestehen bleiben. Außerdem sind die Inseln groß genug, um sich selbst mit Energie und landwirtschaftlichen Produkten zu versorgen.
Neuseelands Tauglichkeit in einem Endzeitszenario wurde erneut im Februar 2023 bestätigt. Bei dieser Studie, veröffentlicht in der Fachzeitschrift "Risk Analysis", ging es darum, wo sich ein Nuklearkrieg, ein Asteroideneinschlag oder der Ausbruch eines Supervulkans, die allesamt Sonnenlicht reduzieren würden, am besten überleben ließen. Auch hier stellten sich Neuseeland und der Nachbar Australien als die Länder heraus, in denen die Menschen die besten Chancen hätten. Australien rangierte laut der Studie an erster Stelle, gefolgt von Neuseeland. Auch Island, die Salomonen und Vanuatu, beide im Südpazifik gelegen, haben demnach gute Chancen, beim Neustart einer zusammengebrochenen menschlichen Zivilisation zu helfen.
Australien und Neuseeland schnitten so gut ab, da beide Nationen nicht nur landwirtschaftliche Erzeuger sind, sondern auch abseits der wahrscheinlichen Standorte nuklearer Schläge liegen. Die würden sich vermutlich in der nördlichen Hemisphäre abspielen. Australien schnitt bei dieser Untersuchung besser ab als Neuseeland, da "Australiens Nahrungspuffer gigantisch ist", wie es in der Studie hieß. Das Land habe das "Potenzial, viele zehn Millionen zusätzliche Menschen zu ernähren".
Weitere Pluspunkte, die für Australien sprechen, sind seine relativ gute Infrastruktur, sein großer Energieüberschuss und ein hohes Verteidigungsbudget. Allerdings könnte das Land selbst auch Ziel eines Atomschlags werden, da es relativ enge militärische Beziehungen zu Großbritannien und den USA pflegt und in Kriegen in der jüngeren Vergangenheit stets an der Seite der USA stand. Zudem befindet sich mit Pine Gap ein australisch-US-amerikanisches Spionagezentrum im Land, das ein potenzielles Angriffsziel sein könnte.
In dieser Hinsicht schnitt Neuseeland besser ab, da das Land einen deutlich neutraleren Status hat als Australien. Letzteres erwähnt auch Bunkerexperte Lynch als einen wichtigen Pluspunkt. Und einen extremen Temperaturabfall durch eine Zeit der Dunkelheit könnte das Land dadurch auffangen, dass fast jeder Ort des Landes relativ nah am Meer liegt. Andere Länder könnten dagegen einen deutlich stärkeren Rückgang ihrer Nahrungsmittelproduktion erleben, sollte ein nuklearer Winter einziehen oder Ruß, Schwefeldioxid oder Staub in die Stratosphäre geschleudert werden und sich global ausbreiten. Grundsätzlich würde es – so vermuten die Forschenden – "selbst im schwersten Szenario wahrscheinlich überall auf der Welt Überlebende geben". Doch Australien oder Neuseeland seien Nationen, die einen völligen Zusammenbruch, der Länder wieder in die vorindustrielle Zeit zurückkatapultieren würde, vermeiden könnten.
Während das Risiko eines Asteroiden- oder Kometeneinschlags laut der Forscher und Forscherinnen "sehr gering" ist, liegt ein großer Vulkanausbruch schon eher im Bereich des Möglichen. Für am wahrscheinlichsten halten die Wissenschaftler es jedoch, dass ein Atomkrieg ein Endzeitszenario auslösen würde.
Zahlreiche Reiche beugen seit Jahren vor und haben für ein zweites Standbein am anderen Ende der Welt gesorgt. Die geopolitisch prekäre Lage in Europa und dem Nahen Osten katapultiert die austral-asiatische Region erneut ins Rampenlicht. Erst im Juni analysierte ein Bericht von Henley & Partners, einem britischen Beratungsunternehmen für Investitionsmigration, wohin es die meisten Reichen zieht.
Demnach kann Australien im Jahr 2023 mit 5200 wohlhabenden Einwanderern wohl den höchsten Nettozustrom verbuchen. Rund 700 soll es ins kleinere Neuseeland ziehen. In beiden Ländern ist es nicht einfach, eine permanente Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten. Beide bewerten neue Einwanderer nach einem strengen Punktesystem, das unter anderem Alter, Ausbildung und Berufserfahrung einbezieht. Doch reiche Menschen können es sich quasi aussuchen, wo sie leben wollen. Sie erhalten ein Visum meist gegen ein Investment im Land. Diese Migrationsstrategie ist in zahlreichen Ländern erfolgreich, auch in Australien und Neuseeland.
Vor allem Neuseelands Nord- und Südinsel, wo gerade mal rund fünf Millionen Menschen leben, werden unter Reichen seit Langem als Zufluchtsorte im Falle der "Apokalypse" gehandelt. Die Superreichen kaufen in Neuseeland hauptsächlich Bauernhöfe und Land im idyllischen Queenstown auf der Südinsel. Aber auch Firmen und Immobilien in Auckland ziehen Investments aus dem Ausland an. Die Tür nach Neuseeland öffnet den Superreichen die sogenannte Active-Investor-Plus-Visa-Kategorie, die es ihnen ermöglicht, nach Neuseeland auszuwandern und dort Immobilien zu erwerben. Investiert werden müssen 15 Millionen Neuseeländische Dollar. Umgerechnet sind das mehr als 8 Millionen Euro. Die Visumgebühr selbst liegt 7900 Dollar, etwa 4400 Euro.
Einer der Superreichen, der sich schon vor Jahren ein zweites Zuhause in Neuseeland geschaffen hat, ist der deutschstämmige Peter Thiel, erfolgreicher Silicon-Valley-Unternehmer und einstiger Berater von Ex-US-Präsident Donald Trump. Sein neuseeländisches Haus soll er sogar mit einem speziellen Schutzraum ausgerüstet haben. Thiel ist bei Weitem nicht der einzige Superreiche, der sich in Neuseeland eingekauft hat. Auch "Titanic"-Regisseur James Cameron soll dort eine Bleibe haben sowie etliche andere Silicon-Valley-Chefs und US-Hedge-Fonds-Manager. So hat sich Google-Mitgründer und Milliardär Larry Page während der Pandemie ein Standbein in Neuseeland zugelegt.
Laut der neuseeländischen Einwanderungsbehörde hatte Page im November 2020 das erwähnte Investorenvisum beantragt, das ihn dazu verpflichtet, Millionen in das Land zu investieren. Für Page sollten derartige Summen jedoch vollkommen unproblematisch sein. Laut der "Forbes"-Liste der reichsten Menschen der Welt besitzt der US-Amerikaner mehr als 103 Milliarden US-Dollar und rangiert damit an fünfter Stelle der reichsten Menschen der Welt – nach anderen Tech-Milliardären wie Amazon-Gründer Jeff Bezos oder Tesla-Chef Elon Musk.
Lynchs texanische Firma Rising S Bunkers investiert deswegen seit Jahren erfolgreich in Neuseeland. Bereits 2020 zählte die Firma dort zehn private Bunker. Wie viel es inzwischen sind, damit hält Lynch hinter dem Berg. Offensichtlich ist nur, dass es sich um extrem wohlhabende Kundinnen und Kunden handeln muss. Denn die durchschnittlichen Kosten machen sein Produkt eigentlich nur für Reiche erschwinglich. Die Preise liegen zwischen 50 000 US-Dollar für einen Minibunker bis hin zu fast 10 Millionen US-Dollar für die absolute Luxusversion. Die bietet zum Beispiel opulente Badezimmer, Bowlingbahn, Fitnessstudio, Sauna, Fernsehraum sowie ein Gewächshaus mit LED-Wachstumslichtern und automatischer Bewässerung.
Der kalifornische Konkurrent Vivos setzt ebenfalls auf Neuseeland. Vivos soll auf der neuseeländischen Südinsel sogar einen 300-Personen-Bunker installiert haben. Im Jahr 2017 sagte Linkedin-Mitgründer Reid Hoffman gegenüber dem Magazin "The New Yorker": Er schätze, dass mehr als 50 Prozent der Milliardäre im Silicon Valley bereits eine Art Apokalypseversicherung abgeschlossen hätten, etwa einen sicheren Raum, einen Bunker oder eine Flucht ins Ausland. Auch Lynch berichtet in einem Video auf seiner Instagram-Seite von "vielen prominenten Kunden", darunter auch Politiker, bei denen man sich fragen würde: "Was weiß der, was ich nicht weiß?"
Etwas kryptische Andeutungen in diese Richtung machte Ende Oktober auch Kim Dotcom, ein umstrittener deutscher Internetunternehmer, der seit Jahren in Neuseeland lebt, auf der Plattform X (früher Twitter): "Die Menschheit nähert sich rasch dem Ende der Zivilisation, wie wir sie kennen", schrieb er. "Wenn Sie weiter leben möchten, ziehen Sie in den äußersten Süden. Je früher, desto besser."
In seinem Buch "Survival of the Richest" zeigte US-Autor Douglas Rushkoff im vergangenen Jahr jedoch auf, warum diese Überlebensstrategien der Superreichen möglicherweise doch völlig vergebens sein könnten. In seinen Ausführungen schildert er unter anderem, wie ihn einige Tech-Milliardäre einst um einen Vortrag über "die Zukunft der Technologie" gebeten hatten. Für seine Dienste wurde Rushkoff ein exorbitantes Honorar angeboten, etwa ein Drittel seines Jahresgehalts als Universitätsprofessor. Es gab eine dreistündige Limousinenfahrt zu einem mysteriösen Treffpunkt in der Wüste – wie er damals dem australischen Sender ABC berichtete. Die Superreichen bombardierten den Autor, der an der New York University Medientheorie lehrt, mit etlichen Fragen über eine mögliche Apokalypse. Letztere nennen die reichen Prepper "the Event" oder auf Deutsch "das Ereignis".
Wissen wollten die Reichen beispielsweise, wie sie nach dem "Ereignis" die Autorität über ihre Sicherheitskräfte aufrechterhalten könnten. Auch die Frage, wie sie bezahlen würden, wenn Kryptowährung wertlos wäre, kam auf. Und ob es nicht vielleicht besser wäre, Roboter anstatt menschlicher Wachen zum Einsatz zu bringen. "Die meiste Zeit der Stunde ging es um ‚Walking Dead‘-Szenarien", sagte Rushkoff und bezog sich dabei auf eine beliebte Serie über eine fiktionale Zombie-Apokalypse. Wer die fünf Männer waren, die Rushkoff anheuerten, ist nicht bekannt.
Neben einem Standbein in Neuseeland, einem Bunker im Inselstaat oder in der jeweiligen Heimat planen einige Wohlhabende übrigens auch, als "Aquapreneurs" in völlig unabhängigen Stadtstaaten zu leben. Darauf zielt das sogenannte Seasteading Institute ab, das von Patri Friedman, dem Enkel des Ökonomen Milton Friedman, mitgegründet wurde. Es gehe darum, "Start-up-Communitys aufzubauen, die mit einem gewissen Maß an politischer Autonomie auf dem Ozean schwimmen".
Post- und Büroanschrift Malta - die klevere Alternative
Rushkoff hat über die Jahre reichlich Expertise zum Thema "Doomsday Prepping" – also dem Vorbereiten auf ein Endzeitszenario – gesammelt. Der US-Amerikaner ist jedoch skeptisch, ob irgendeines der Programme, die die Milliardäre erdacht haben, funktionieren wird. So schreibt er in seinem Buch, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein Bunker seine Bewohner tatsächlich vor der Realität schütze, sehr gering sei – da "die geschlossenen Ökosysteme unterirdischer Anlagen absurd brüchig sind". Wenn beispielsweise der unterirdische Garten von Schimmel oder Bakterien überwuchert würde, gebe es keine Rettung, dann würde man sterben. Auch kleine Inseln wären abhängig von Luft- und Seelieferungen für Grundnahrungsmittel. Und das Gleiche gelte für das Seasteading – also die Idee, autonome, schwimmende Ministaaten aufzubauen.
Letzteres spricht wohl erneut für Neuseeland. Dort sollte schon allein die isolierte Lage die Doomsday-Prepper vor dem Schlimmsten bewahren.