Wilders war darum bemüht, Ängste vor einem zu radikalen Vorgehen seiner Partei für die Freiheit (PVV) zu zerstreuen. Die von ihm angestrebte Zwangsschließung von Moscheen sei aktuell kein Thema, versicherte er. Priorität habe jetzt, den "Asyl-Tsunami" zu begrenzen.
AfD-Chefin Alice Weidel gratulierte Wilders beim Kurznachrichtendienst X, vormals Twitter: "Herzlichen Glückwunsch zu diesem großen Erfolg. Ganz Europa will die politische Wende! #Wilders #AfD". Ebenso erhielt Wilders nach Berichten niederländischer Medien Glückwünsche vom ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban und von der französischen Rechtsnationalistin Marine Le Pen.
Wilders' PVV kommt nach einer Prognose des niederländischen Fernsehens auf 35 der 150 Sitze im Parlament. Die Zustimmung zur PVV war in den vergangenen Wochen in den Umfragen immer weiter gestiegen. Als Mitverantwortliche dafür wird vielfach die Spitzenkandidatin der Rechtsliberalen, Dilan Yesilgöz, gesehen. Sie hatte zu Beginn des Wahlkampfes gesagt, dass sie Wilders als Koalitionspartner nicht von vornherein ausschließe. Der scheidende Ministerpräsident Mark Rutte, ebenfalls ein Rechtsliberaler, hatte eine Zusammenarbeit mit Wilders dagegen immer abgelehnt. Im niederländischen Fernsehen wurde deshalb am Mittwochabend sofort die Frage aufgeworfen, ob Yesilgöz Wilders mit ihrer Annäherung salonfähig gemacht habe.
Die Partei von Yesilgöz und Rutte, die rechtsliberale Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD), kommt der Prognose zufolge auf 24 Sitze, ein Minus von zehn Mandaten. Das von Ex-EU-Kommissar Frans Timmermans angeführte Bündnis aus Grünen und Sozialdemokraten schafft demnach 25 Sitze, ein Plus von acht. Die erst vor wenigen Wochen gegründete Partei des ehemaligen Christdemokraten Pieter Omtzigt, der Neue Soziale Vertrag (NSC), kann nach der Prognose mit 20 Sitzen rechnen.
Ob Wilders tatsächlich die nächste Regierung bilden kann, ist völlig offen. Omtzigt hatte eine Zusammenarbeit mit ihm im Wahlkampf ausgeschlossen, da dieser verfassungsfeindliche Positionen vertrete. Am Wahlabend schien er diese Position etwas aufzuweichen, indem er Wilders' Formulierung übernahm, dass jetzt alle Parteien "über ihren Schatten springen" müssten. Yesilgöz hatte eine Zusammenarbeit mit Wilders nicht ausgeschlossen, kurz vor der Wahl aber gesagt, sie wolle nicht unter einem Ministerpräsidenten Wilders in eine Regierung eintreten. Am Wahlabend schien auch sie diese Position aber wieder etwas abzuschwächen und betonte, jetzt sei erst einmal Wilders am Zug: "Wir werden das in der Fraktion gut abwägen. Dann schauen wir, wohin das führt", sagte sie.
Die vorgezogene Parlamentswahl war notwendig geworden, nachdem im Sommer Ruttes Mitte-Rechts-Koalition nach nur 18 Monaten im Amt geplatzt war. Anlass dafür war ein Streit über Migrationspolitik. Rutte, der am längsten amtierende Ministerpräsident der niederländischen Geschichte, hatte daraufhin seinen Abschied aus der nationalen Politik angekündigt, er will jetzt Nato-Generalsekretär werden. Bis zum Antreten einer neuen Regierung bleibt er allerdings noch im Amt.
In den Niederlanden hat sich der Rechtspopulismus schon vor mehr als 20 Jahren als fester Bestandteil der politischen Landschaft etabliert. Der erste erfolgreiche Rechtspopulist Pim Fortuyn war 2002 wenige Tage vor der Parlamentswahl von einem militanten Tierschutzaktivisten ermordet worden. Sein Erbe trat Wilders an, der noch viel radikalere Forderungen erhob, etwa die nach einem Verbot des Korans. Der Politologe und Wilders-Biograf Meindert Fennema (1946-2023) warnte 2017 in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur: "Er ist jemand, der auf demokratischem Weg den Rechtsstaat abschaffen will."
Umfragen haben mehrfach ergeben, dass Wilders-Wähler ihre Zukunft tendenziell pessimistisch einschätzen und Angst vor Veränderungen haben. Sie wohnen häufig in stagnierenden Industriegebieten oder auf dem Land, wo die Jungen wegziehen.
Zu Wilders Parolen gehört deshalb nicht nur "Der Islam gehört nicht zu den Niederlanden", sondern auch "Mehr Personal in der Pflege" und "Niedrigere Mieten und Steuern". Diese Mischung aus rechten Parolen und klassisch linken Forderungen betrachten Politologen als sein Erfolgsrezept. Eine weitere Besonderheit: Wilders' Partei hat nur ein einziges Mitglied - ihn selbst. So will er verhindern, dass ihn andere überstimmen und selbst das Zepter übernehmen könnten.