Zwar räumten auch ukrainische Stellen ein, dass die Lage an der Front für Kiews Truppen schwierig und komplex sei. Trotzdem werten es die US-Experten etwa als Erfolg, dass sich die ukrainischen Truppen an der linken Uferseite des Dnipro im Gebiet Cherson festsetzen konnten - Stellungen, die bisher von russischen Truppen gehalten wurden.
Der Stabschef des ukrainischen Präsidenten hat zum ersten Mal zugegeben, dass die ukrainischen Streitkräfte in der Region Cherson am Ostufer des Dnipro Fuß gefasst haben und möglicherweise eine neue Angriffslinie in Richtung Krim eröffnen. Russische Truppen haben vor einem Jahr das Westufer des Flusses verlassen und auf der Ostseite Stellungen bezogen, von denen aus sie regelmäßig gegenüberliegende Städte und Dörfer beschießen. Das Eingeständnis von Andriy Yermak, dass Kiews Streitkräfte am Ostufer des Dnipro stationiert seien, folgte auf wochenlang widersprüchliche Berichte.
"Allen Widrigkeiten zum Trotz haben die ukrainischen Verteidigungskräfte am linken Ost-Ufer des Dnipro Fuß gefasst", sagte Yermak in einer Ansprache an den Thinktank Hudson Institute in den Vereinigten Staaten. Die Bemerkungen wurden auf der Website des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj veröffentlicht. "Schritt für Schritt entmilitarisieren sie die Krim", fügte er hinzu und bezog sich dabei auf die 2014 von Russland eroberte Halbinsel. "Wir haben 70 % der Strecke zurückgelegt. Und unsere Gegenoffensive entwickelt sich."
Seit Oktober gebe es dort außergewöhnlich starke Kampfhandlungen der ukrainischen Verteidiger, die ihre Positionen auf der Uferseite hielten und die Truppen dort weiter versorgen könnten, hieß es in der ISW-Analyse. Russische Staatsmedien hatten zuletzt kurz darüber berichtet, dass Moskaus Truppen sich dort zurückziehen müssten, dann aber diese Meldungen zurückgezogen. Die Rede war von einer angeblichen ukrainischen Provokation.
Die Lage an der Front im Osten und Süden der Ukraine gilt als festgefahren - ohne wesentliche Fortschritte für eine der beiden Kriegsparteien. Die Ukraine blieb mit ihrer Gegenoffensive bisher hinter den eigenen Erwartungen deutlich zurück. Das Land verteidigt sich mit westlicher Militärhilfe seit fast 21 Monaten gegen den russischen Angriffskrieg. Das Ziel einer ukrainischen Befreiung der von Russland teils besetzten Gebiete Cherson, Saporischschja, Luhansk und Donezk ist bisher nicht in Sicht.