77 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, dass sie im Fahrdienst bis 2030 mit einem höheren Personalbedarf rechnen. Gleichzeitig werden sie der Umfrage zufolge in genau diesem Bereich bis 2030 die meisten Abgänge verzeichnen. Rund 50 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Unternehmen arbeiten im Fahrdienst. "Unsere Branche war in der Vergangenheit immer latent von Personalabbau betroffen, weil die Finanzierung oft eng war", erklärt Kraus. "Jetzt steht die Finanzierung, weil der Nahverkehr immer wichtiger wird - aber die Mitarbeitenden fehlen."
Die befragten Verkehrsunternehmen gehen davon aus, dass sie die Zahl ihrer Beschäftigten bis 2030 für den Ausbau des Bus- und Bahnangebotes um rund 20 Prozent erhöhen müssen - der VDV rechnet letztlich sogar mit einem höheren Wert. Für 48 Prozent der Unternehmen ist die Besetzung offener Stellen im Fahrdienst derzeit die größte Herausforderung, dahinter folgt das gewerblich-technische Personal. Dabei sei die Konkurrenz groß, meint Kraus: "Wir konkurrieren inzwischen mit Unternehmen wie Flaschenpost und Amazon, mit denen wir uns bei den Arbeitsbedingungen eigentlich nicht vergleichen lassen wollen." Im Nahverkehr in Nordrhein-Westfalen erhielten Berufseinsteiger im Fahrdienst 15,60 Euro die Stunde, also 3,60 Euro mehr als den Mindestlohn. "Bei Flaschenpost haben Sie sonntags frei - aber dass Sie mit den Getränkekisten auch in den sechsten Stock müssen, wird dann vergessen", sagt Kraus.
Inwieweit sich die Gehälter in der Branche in Kürze verändern werden, hängt vom weiteren Ablauf zahlreicher Tarifverhandlungen ab. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) fordert in den Gesprächen mit der Deutschen Bahn und 50 weiteren Unternehmen mindestens 650 Euro monatlich mehr Geld für die Beschäftigten und zudem einige strukturelle Anpassungen im Tarifsystem. Der Verhandlungsauftakt mit der DB endete vergangene Woche nach nur zwei Stunden - die Vorstellungen beider Seiten liegen sehr weit auseinander.
In anderen Verkehrsunternehmen wird derweil der Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes angewandt, über den derzeit auch verhandelt wird. Aber auch in diesem Tarifstreit geht es kaum voran - entsprechend wurde vergangenen Freitag bundesweit in zahlreichen Städten der Nahverkehr bestreikt. Neben dem VDV, der vor allem öffentliche Verkehrsunternehmen vertritt, informierte sich kürzlich auch der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmen (BDO) genauer bei seinen Mitgliedern, wie es um den Fachkräftemangel steht. 87 000 Busfahrer fehlen dieser Unternehmensumfrage zufolge bis 2030. Aktuell liege der Bedarf bei 7800 Leuten, teilte der BDO mit, in dem viele auch kleinere, private Busunternehmen verbunden sind, Mitte Februar mit.
Selbst wenn sich jetzt Tausende Menschen sofort zum Fahrdienst melden würden - das Problem wäre erst in einigen Monaten gelöst. Bei den Stadtwerken Dortmund zum Beispiel dauert es Kraus zufolge etwa acht Monate ab dem ersten Arbeitstag, ehe ein neuer Mitarbeiter ohne Bus-Führerschein mit Fahrgästen durch die Stadt fahren kann. Bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) ist der Zeitraum ähnlich lang.
Das Unternehmen bildet Busfahrer in einer eigenen Akademie in Berlin-Wedding aus, und Fahrschulleiter Tobias Kutta gibt ein klares Motto aus: "Sicherheit geht vor Fahrzeit". 28 Tage Theorie, 28 Tage Fahrpraxis, anschließend noch Strecken- und Tarifschulung, auch der Umgang mit schwierigen Alltagssituationen muss gelernt werden. "Der Omnibusfahrer ist bei uns eigentlich ein Filialleiter", sagt Kutta, der selbst viele Jahre als Busfahrer für die BVG unterwegs war. "Der fährt, macht Beratung, verkauft Tickets, ein bisschen Buchhaltung. Er ist für die Sicherheit zuständig und auch fürs Notfall-Management." Ihm hat der Job auf der Straße offensichtlich stets gefallen, er schwärmt regelrecht. Aber er sagt auch: "Für diese Tätigkeit muss man sich berufen fühlen, da muss man ein Herz für haben."
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