"Sehen Sie, wir geben nicht nach, ich bin zufrieden", sagte er. Aber er fügte hinzu: "Wir verlieren Menschen, ich bin nicht zufrieden. Wir haben nicht alle Waffen bekommen, die wir wollten, ich kann nicht zufrieden sein, aber ich kann mich auch nicht zu sehr beschweren." Der ukrainische Präsident befürchtet nach eigener Aussage, dass der Krieg zwischen Israel und Hamas den Konflikt in der Ukraine überschatten könnte. Konkurrierende politische Ziele und begrenzte Ressourcen könnten die westliche Militärhilfe für Kiew gefährden.
Die Gegenoffensive des vergangenen Sommers bewertete Selenskyj nüchtern: "Wir wollten schnellere Ergebnisse. So gesehen, haben wir leider nicht die gewünschten Ergebnisse erzielt. Und das ist eine Tatsache." Die Ukraine habe nicht alle benötigten Waffen von ihren Verbündeten erhalten, und die begrenzte Größe der Streitkräfte habe einen schnellen Vormarsch verhindert, sagte er.
"Es gibt nicht genug Kraft, um die gewünschten Ergebnisse schneller zu erreichen", erklärte der Präsident. "Aber das bedeutet nicht, dass wir aufgeben sollten, dass wir kapitulieren müssen. Wir sind zuversichtlich, was unser Handeln angeht. Wir kämpfen für das, was uns gehört."
Er sagte, dass "maximale Aufmerksamkeit" den unter Beschuss geratenen östlichen Städten in der Region Donezk sowie einer wichtigen Verteidigungslinie im Nordosten zwischen Kupjansk und Lyman gewidmet werde. Er umfasste auch die Region um die Hauptstadt Kiew, wo die Befestigungsanlagen verstärkt werden sollten. Die Betonung der Stärkung der Verteidigungslinien durch Selenskyj könnte Befürchtungen verstärken, dass der Konflikt trotz anhaltender heftiger Kämpfe zunehmend "eingefroren" wird. Die Moral an vorderster Front auf beiden Seiten wird zu einem gewissen Grad davon abhängen, wie gut die Soldaten für die Bewältigung dieser kälteren Monate gerüstet sind.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte heute in Skopje, Moskau sehe keine Anzeichen dafür, dass Kiew zu einer politischen Lösung bereit sei, und es gebe keinen Grund für Russland, die Ziele seiner "speziellen Militäroperation" zu ändern.
Mehr als 21 Monate nach Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine hat sich Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu zum Wintereinbruch zufrieden mit dem derzeitigen Frontgeschehen gezeigt. "Unsere Soldaten (...) nehmen eine vorteilhaftere Position ein und erweitern die Kontrollzonen in alle Richtungen", sagte Schoigu am Freitag. Auch westliche Waffenlieferungen an die Ukraine könnten die Lage auf dem Schlachtfeld nicht wesentlich verändern, behauptete er.
Russland, das am 24. Februar 2022 ins Nachbarland einmarschiert ist, hat in den vergangenen Monaten immer wieder militärische Niederlagen hinnehmen müssen. Derzeit aber gibt es vermehrt Berichte, dass ukrainische Einheiten vor allem im Osten ihres Landes stark unter dem Druck russischer Angriffe stünden. Zugleich hat die Ukraine im südlichen Gebiet Cherson, das sie in Teilen bereits wieder aus russischer Besatzung befreit hat, kleinere Erfolge zu verzeichnen. Vor einigen Wochen gelang ukrainischen Soldaten dort das Übersetzen auf das besetzte linke Ufer des Flusses Dnipro.
Der ukrainische Generalstab berichtete am Freitag von rund zwei Dutzend russischen Attacken vor allem südlich der Stadt Bachmut im östlichen Donezker Gebiet. Zugleich hieß es, dass ukrainische Einheiten auch zu Gegenangriffen angesetzt hätten. Zudem seien nördlich und südlich von Awdijiwka ebenfalls fast zwei Dutzend russische Angriffe abgewehrt worden. Über Kämpfe wurde auch bei Kupjansk im Gebiet Charkiw und bei den Dörfern Robotyne und Werbowe im Gebiet Saporischschja berichtet.
Im Gebiet Cherson seien die ukrainischen Soldaten weiter auf dem südlichen Ufer des Dnipro präsent. Ukrainische Stellungen im Dorf Krynky seien aus der Luft bombardiert worden. Insgesamt wurden dem Bericht zufolge mehr als 130 ukrainische Ortschaften in acht Gebieten durch russische Artillerie beschossen. Russische Luftangriffe seien in den Gebieten Charkiw, Donezk und Cherson geflogen worden.
Russland arbeitet unterdessen nach britischen Angaben auch verstärkt am Bau von unbemannten Kamikaze-Schiffen für den Einsatz im Angriffskrieg gegen die Ukraine. Jüngst habe der Chef der Rüstungsfirma KMZ, Michail Danilenko, angekündigt, dass Drohnenboote im Rahmen der "militärischen Spezialoperation", wie der Krieg in Russland genannt wird, getestet werden sollen, um 2024 dann eine Serienproduktion aufzunehmen, teilte das britische Verteidigungsministerium am Freitag mit. Die Boote könnten bis zu 600 Kilogramm Munition transportieren, sagte Danilenko demnach.
Die Ukraine hatte wiederholt unbemannte Schiffe, die mit Sprengstoff beladenen Schnellbooten ähneln, gegen russische Ziele im Schwarzen Meer oder in den Häfen der annektierten Halbinsel Krim eingesetzt. Die Waffe habe sich in den Händen der ukrainischen Streitkräfte zu einer Schlüsselfähigkeit im maritimen Bereich entwickelt, hieß es in London.