Wie sich der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) eine entsprechende Erweiterung der Entlastungen vorstellt, will seine Vorsitzende Yasmin Fahimi an diesem Mittwoch erklären. In Berlin präsentiert sie mit dem Mannheimer Professor für Makroökonomik und Wirtschaftspolitik, Tom Krebs, ein Gutachten mit dem Titel "Verlängerung und Modifizierung der Strompreisbremse". Doch wie funktionieren die Preisbremsen überhaupt? Wie hoch ist die Entlastung? Und was würde ihr planmäßiges Auslaufen bedeuten, was ihre Verlängerung? Wir beantworten die wichtigsten Fragen:
Wegen der plötzlich extrem hohen Preise nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hatte die Bundesregierung Ende vorigen Jahres zahlreiche Entlastungen beschlossen: eine 300‑Euro-Energiepreispauschale für Arbeitnehmer, eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Erdgas, eine Einmalhilfe für Gas- und Fernwärmekunden (der Staat übernahm den Dezember-Abschlag) und die Strom-, Wärme- und Gaspreisbremsen.
Letztere traten im März dieses Jahres in Kraft und galten rückwirkend ab Januar. Finanziert werden die Zuschüsse aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds, für den der Bund neue Schulden aufgenommen hat. Die Verbraucher mussten und müssen die Staatshilfe nicht beantragen. Die Zuschüssen werden direkt mit den Versorgern verrechnet, die den monatlichen Abschlag senken.
Erdgas: Bei Haushalten und kleinen und mittleren Unternehmen werden 80 Prozent des im September 2022 prognostizierten Jahresverbrauchs bei Erdgas auf 12 Cent je Kilowattstunde, bei Fernwärme auf 9,5 Cent je Kilowattstunde gedeckelt, beides brutto. Für die übrigen 20 Prozent gilt der mit dem Energielieferanten vertraglich vereinbarte Preis. Dies soll die Verbraucher dazu bringen, möglichst viel Gas und Wärme einzusparen. Für große Unternehmen gilt ein Garantiepreis von 7 Cent je Kilowattstunde netto – aber nur für 70 Prozent der Verbrauchsmenge von 2021. Begünstigt sind bundesweit rund 25.000 Unternehmen und 1900 Krankenhäuser.
Strom: Haushalte und kleinere Unternehmen zahlen für 80 Prozent den gedeckelten Preis von 40 Cent je Kilowattstunde – berechnet auf Basis des bisherigen Stromverbrauchs. Verbraucht man derzeit mehr als 80 Prozent des vorherigen Stromverbrauchs, fällt für jede weitere Kilowattstunde der neue hohe Preis im Liefervertrag an, auch das als Sparanreiz. In der Jahresrechnung soll am Ende der tatsächliche Verbrauch zu den jeweiligen Preisen abgerechnet werden. Für Industriekunden liegt der Deckel bei 13 Cent für 70 Prozent des früheren Verbrauchs.
Pellets, Heizöl oder Flüssiggas: Wer diese alternativen Heizstoffe nutzt, kann noch bis zum 20.10.2023 Hilfe aus dem Härtefallfonds von Bund und Ländern beantragen und bis zu insgesamt 2000 Euro erhalten. Die Bundesländer haben die konkreten Programme erstellt und die Finanzhilfen ausgezahlt, dort mussten und müssen die Anträge eingereicht werden. Der Bund hatte dafür bis zu 1,8 Milliarden Euro aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds eingeplant. Die Hilfen wurden aber seltener beantragt als zunächst erwartet.
Laut Bundestagsbeschluss laufen die Strom-, Gas- und Wärmepreisbremsen Ende dieses Jahres aus. Der DGB, Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und die Grünen im Bundestag haben bereits eine Verlängerung bis ins nächste Jahr hinein gefordert. Habeck sagte im Juli, darüber werde bereits mit der EU‑Kommission geredet. Auch die Chefin des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, Ramona Pop, hat eine Ausdehnung der Hilfen bis Ostern 2024 gefordert.
Bei Auslaufen der Subventionen würden Strom und Gas im Durchschnitt wieder deutlich teurer, wie Berechnungen des Vergleichsportals Verivox ergaben. Verbraucher könnten aber mit einem Wechsel zu einem günstigeren Anbieter Tarife finden, die unterhalb der Preisbremsen liegen, erklärten die Verbraucherzentralen: Die Preise sinken demnach gerade bei neuen Verträgen. Laut Verivox würden die durchschnittlichen Stromkosten bei 4000 Kilowattstunden Jahresverbrauch von derzeit 1448 Euro um 56 Euro auf 1504 Euro steigen. Dies entspricht einem Plus von 3,9 Prozent. Die durchschnittlichen Gaskosten bei 20.000 Kilowattstunden würden von derzeit 2201 Euro um 173 Euro auf 2374 Euro zulegen, ein Anstieg um 7,9 Prozent. Werden nur Grundversorgungstarife betrachtet, sind die Anstiege bei Strom und Gas noch höher.
Ursprünglich sollte bis März 2024 für Erdgas der niedrigere Mehrwertsteuersatz von 7 statt 19 Prozent gelten. Weil der Gaspreis schneller wieder gesunken ist als zunächst gedacht, will das Finanzministerium die Senkung nun schon zum Jahresende beenden. Wenn die Anbieter die Belastung vollständig weitergeben, steigen die Gaspreise für Privathaushalte zum Januar um rund 11 Prozent. Beschlossen ist die Verkürzung noch nicht, sondern wird im Bundestag noch beraten. Die Grünen reagierten auf die Ministeriumsankündigung skeptisch.
Für einen Musterhaushalt mit vier Personen bedeute dies Mehrkosten von durchschnittlich 270 Euro im Jahr. Hat man selbst keinen Gasvertrag abgeschlossen, sondern nutzt die Grundversorgung, ist der Preisanstieg Experten zufolge mit 331 Euro noch höher. Ein Paar mit einem Verbrauch von 12.000 Kilowattstunden muss laut Verivox rund 170 Euro draufzahlen, in der Grundversorgung 209 Euro. Singles mit 5000 Kilowattstunden Verbrauch müssten mit 71 Euro mehr rechnen (Grundversorgung: 87 Euro).
dp/fa