Der Richter sagte, Führungskräfte der Zeitungen hätten von dieser Praxis gewusst und sie aktiv gedeckt. Wären sie eingeschritten, "wäre der Missbrauch der privaten Informationen des Herzogs viel früher beendet worden". Fancourt stellte fest, dass 15 der 33 Zeitungsartikel, um die es in der Verhandlung ging, mit Hilfe rechtswidriger Mittel verfasst worden seien. Allerdings stamme - anders als von Harry nahegelegt - nicht alles, was veröffentlicht wurde, aus abgehörten Sprachnachrichten, sagte der Richter. Harry steht nun Schadenersatz in Höhe von 140.600 Pfund (etwa 163.000 Euro) zu.
Die Summe sei moderat ausgefallen, weil die Zeitungen der "Mirror"-Gruppe nicht die einzigen gewesen seien, die zu dem Unrecht beigetragen hätten, das Harry erleiden musste, hieß es in dem Urteil. Der 39-jährige Royal sprach der britischen Nachrichtenagentur PA zufolge als Reaktion auf die Entscheidung von einem "großen Tag für die Wahrheit und die Rechenschaftspflicht". Der jüngere Sohn des britischen Königs Charles III. hatte Journalisten der Blätter "Daily Mirror", "Sunday Mirror" und "People" vorgeworfen, ihn mit illegalen Mitteln ausgespäht zu haben. Unter anderem seien Sprachnachrichten auf seinem Handy abgefangen und für Berichte über ihn ausgewertet sowie Privatdetektive beauftragt worden.
Für Aufsehen hatte gesorgt, dass Harry bei der Verhandlung im Juni selbst in den Zeugenstand getreten war. Er hatte sich dafür zwei Tage lang einem Kreuzverhör gestellt - als erster britischer Royal seit 130 Jahren. Anhand von 33 Artikeln der MGN-Blätter "Daily Mirror", "Sunday Mirror" und "People" aus den Jahren 1996 bis 2009 wollten Prinz Harry und sein Anwaltsteam zeigen, dass illegal beschaffte Informationen bei der Berichterstattung über ihn verwendet wurden.
In den Berichten ging es teilweise um pikante Details wie den Besuch eines Strip-Clubs, das Ende seiner Beziehung mit Ex-Freundin Chelsy Davy oder Sportverletzungen. Die Informationen seien so intim gewesen, argumentierte er, dass sie nur aus dem Abfangen von Handy-Sprachnachrichten und anderer illegaler Informationsbeschaffung stammen konnten. Konkrete Beweise legte er nicht vor. Harry sprach leise, oft kaum hörbar, schien teilweise frustriert. Die mutmaßliche Bespitzelung habe ihm schweres seelisches Leid zugefügt, Freundschaften und Beziehungen belastet, klagte er und bekannte zum Schluss, es habe ihm viel abverlangt, in den Zeugenstand zu treten.
Der Anwalt des Verlags Mirror Group Newspapers (MGN), Andrew Green, hatte die Vorwürfe größtenteils zurückgewiesen und argumentiert, die Berichterstattung habe auf legal beschafften Informationen basiert. Oft seien die Quellen öffentlich zugänglich gewesen oder Leute in seinem Umfeld, die geplaudert hätten.nDass in dem betroffenen Zeitraum illegale Methoden bei vielen britischen Zeitungen verbreitet waren - auch bei Blättern von MGN - ist unumstritten. Die Beweislast lag allerdings bei dem Herzog von Sussex und seinen Mitklägern, auch wenn sie im Zivilverfahren nicht so schwer zu erbringen sind wie bei einer Strafsache.
Prinz Harry, das ging aus einer von ihm eingereichten schriftlichen Zeugenaussage hervor, geht es um mehr als nur seine eigenen leidvollen Erfahrungen als Jugendlicher und junger Erwachsener. Er betrachtet die britischen Boulevardzeitungen oder "tabloids", wie sie im Vereinigten Königreich genannt werden, als zügellos. Er ist überzeugt, dass auch der Unfalltod seiner Mutter Prinzessin Diana 1997 auf das Konto der Paparazzi ging, die ihr auf den Fersen waren, und warnte immer wieder davor, dass sich die Geschichte wiederholen könne mit seiner Frau Meghan (42).
"Unser Land wird weltweit am Zustand unserer Presse und unserer Regierung beurteilt - die beide, wie ich finde, auf einem Tiefpunkt angelangt sind", schrieb er in seiner schriftlichen Aussage. Die Presse werde ihrem Auftrag nicht mehr gerecht, die Regierung zur Rechenschaft zu ziehen, und gehe stattdessen mit dieser "ins Bett", damit alles so bleibe, wie es ist.
Harry, der vor fast vier Jahren aus dem engeren Kreis der Königsfamilie ausgeschieden ist und mit seiner Familie in den USA lebt, führt einen regelrechten Kreuzzug gegen die Boulevardpresse. Mehrere weitere Verfahren wegen angeblich illegaler Informationsbeschaffung sind anhängig, darunter gegen den Verlag der "Sun", News Group Newspapers (NGN) und den Verlag der "Daily Mail", Associated Newspapers. Der Ausgang der Klage gegen die Mirror-Gruppe dürfte ein erster Hinweis sein, ob seine Mission erfolgreich sein wird.