In Frankreich bahnt sich ein historisches politisches Erdbeben an, das die politische Landschaft des Landes grundlegend verändern könnte. Die Parlamentswahlen, die am kommenden Sonntag stattfinden, könnten Marine Le Pen und ihrem Rassemblement National (RN) den Weg an die Spitze der Regierung ebnen, und das zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg.
Die erste Wahlrunde zeigte bereits ein starkes Abschneiden des Rassemblement National unter der Führung von Marine Le Pens politischem Ziehsohn Jordan Bardella. Die Rechtsnationalen lagen vorne, gefolgt von einem neu formierten Linksbündnis sowie Macrons Mitte-Lager, das überraschend nur auf dem dritten Platz landete. Von den 577 Abgeordnetenplätzen wurden bereits 76 vergeben, wobei das RN 39 Sitze und das Linksbündnis 32 Sitze sichern konnte.
Entscheidend wird nun die zweite Wahlrunde sein, bei der in über 200 Wahlkreisen taktische Zurückziehungen von Kandidaten anderer Parteien stattfinden, um eine Vereinigung der gemäßigten Kräfte gegen das RN zu ermöglichen. Diese Strategie könnte entscheidend sein, um eine absolute Mehrheit des Rassemblement National zu verhindern, die Macron zwingen würde, einen Premierminister aus den Reihen der Rechtsnationalen zu ernennen.
Sollte das RN eine absolute Mehrheit erreichen oder auch nur eine starke relative Mehrheit behalten, würde dies zu einer "Kohabitation" führen, bei der Präsident Macron und der Premierminister unterschiedlichen politischen Richtungen angehören. Solch eine Konstellation könnte politischen Stillstand und Unsicherheit in Frankreich bedeuten, da eine Koalition der Mitte-Links-Kräfte, einschließlich der wiedererstarkten Sozialisten, unwahrscheinlich erscheint.
Der Aufstieg des Rassemblement National und ähnlicher rechter Parteien in ganz Europa reflektiert einen breiteren Trend der Herausforderung für traditionelle politische Kräfte. Macron, der 2017 antrat, um den Aufstieg der Rechtsnationalen zu stoppen, sieht sich nun mit einer zunehmend gespaltenen politischen Landschaft konfrontiert und muss seine Position verteidigen.
Die bevorstehenden Wahlen könnten nicht nur die politische Führung Frankreichs neu definieren, sondern auch seine künftige Ausrichtung auf nationaler und internationaler Ebene prägen. Die Entscheidungen der Wählerinnen und Wähler am Sonntag werden daher nicht nur für Frankreich, sondern auch für die gesamte Europäische Union von großer Bedeutung sein, da sie die politische Landschaft des Kontinents maßgeblich beeinflussen könnten.