Nina Hagen ist zurück. Nach elf Jahren hat die einstmals selbst ernannte Godmother of Punk ein neues Album aufgenommen. "Unity" ist ein neuerlicher Beweis für die Bandbreite der Sängerin. Ob härtere Töne, ruhiger Pop, exzellenter Funk oder einlullende Balladen - die 67-Jährige hat mit elf Songs eine hörenswert schräge Mischung zusammengestellt. Das neunte Solo-Album der Künstlerin erscheint am 9. Dezember.
"Das Album ist die Erfüllung eines Wunschtraumes", sagt Hagen im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. "In der Zeit von Corona konnten meine zirkuspferdartigen Auftritte nicht mehr stattfinden. Es gab keine Livekonzerte mehr, aber die Produktion am Album ging fleißig weiter. In der Zeit war mehr Geduld gefragt. Geduld war die Yogaübung der Stunde."
Die Frage nach dem hörbaren Einfluss verschiedener Musikrichtungen hat sie sich nach eigenem Bekunden noch nie gestellt. "Jedes Lied bekommt das, was es gerne möchte, was es braucht oder was wir glauben, was es brauchen könnte." Produziert hat das Album Warner Poland, seit Jahrzehnten Bandleader und Gitarrist von Hagen. "Wir haben mehrere Songs zusammen geschrieben und Sessions gehabt." So sei eine große Sammlung von Aufnahmen und Samples entstanden.
Die Bibel und Jesus sind ihre ständigen Begleiter, auf dem Album wie im Gespräch. Als Christin glaube sie an die Liebe, die über allem stehe. "Die Liebe ist nicht totzukriegen. Das sollten wir uns zunutze machen", sagt Hagen.
Mit "Shadrack" greift sie auch gleich mit dem Opener des Albums auf biblischen Stoff zurück. Dazu ein leicht sphärisches Intro, ein paar geschlagene Becken, ein cooler Funk-Lauf und schon übernimmt eine noch immer scheinbar endlos tiefe Stimme Hagens die Erzählung.
Über die Songs verteilt spannt sich Hagens Stimme oktavenweit zwischen knarrenden Tiefen und gackernden Höhen mit der ihr eigenen Koloraturkompetenz. Dabei nutzt sie noch immer alles, was die Bezeichnung Ton rechtfertigt.
Es geht viel um Solidarität und Miteinander auf dem Album. In "United Women Of The World" besingt Hagen weibliche Kraft und Stärke. Der Titelsong "Unity", entstanden mit Hilfe des US-amerikanischen Funk-Spezialist Georg Clinton, ist eine Unterstützung für die Black-Lives-Matter-Bewegung. "Das Geschehen hat die ganze Welt und mich tief betroffen gemacht über den Geist, der in Amerika anscheinend vorherrscht, nämlich Aggression, Mord und Totschlag, Ungerechtigkeit und Unmenschlichkeit. Deswegen bin ich besonders froh, dass viele tolle Leute auf dem Album mitgemacht haben."
Für "Atomwaffensperrvertrag" wühlt sie in alten Beständen. Der Text ist die Collage einer Rede Hagen zu Abrüstung. "Es ist unsere niemals erkaltende Zunge, die sich für die absolute Abschaffung aller Atomwaffen einsetzt. Nur so geht es. Das muss man immer weiter propagieren", sagt sie.
Poppige Rhythmen mit sphärischer Stimme begleiten in "Geld, Geld, Geld" ihre Kapitalismuskritik: "Große Städte stinken / Reklameschilder blinken". Die Untiefen von Zweisamkeit ("Beziehungskisten gehen immer zu Bruch") beschreit Hagen im Refrain von "Gib Mir Deine Liebe". Mit dem rockigen "Venusfliegenfalle" entführt sie auf eine schräge Tour durch das All.
Für das Album hat Hagen wieder reichlich auf Material anderer Künstlerinnen und Künstler zurückgegriffen. "16 tons" und "Redemption Day" sind dabei. Es gibt auch eine deutsche Version von Bob Dylans Klassiker "Blowin in the wind". "Ich mache schon seit ich denken kann Cover", sagt Hagen. Die Menschheit brauche Lieder, die sie zusammen singen könne. "Wir brauchen das als Gesellschaft, dass wir nicht nur diese Castingshows über uns ergehen lassen müssen."
Sie hoffe, "dass in dem ganzen musikalischen Blumenstrauß des Angebots auf dem Album zwischendurch auch mal Lieder kommen, die jeder schon kennt und man mitplärren kann." Der Strauß ist zur schrägen Mischung geworden, crazy wie Nina Hagen selbst. "Ich habe einfach versucht, etwas Schönes zusammenzubekommen with the help of all my real good friends."
dp/pcl