Die auf dem Robin-Hood-Prinzip (nimm das Geld bei den Reichen, um es dann an die Armen zu verteilen) basierende Übergewinnsteuer war natürlich sehr populär – aber Meloni hatte die Rechnung ohne die Finanzmärkte und ohne die Banken gemacht. Weil die Maßnahme im August ohne jede Vorankündigung und ohne Absprache mit der EZB verkündet worden war, erlitten die italienischen Banken am Tag darauf an der Mailänder Börse einen spektakulären Kurssturz: An einem einzigen Tag wurden im Bankensektor Börsenwerte von 9 Milliarden Euro vernichtet. In den Parteizentralen der rechtsnationalistischen und populistischen Regierungsparteien Fratelli d’Italia, Lega und Forza Italia läuteten zum ersten Mal die Alarmglocken.
Meloni bezeichnete die Steuer zwar weiterhin als "sakrosankt", ruderte aber ein erstes Mal zurück: Schon Ende August ließ die Regierung durchblicken, dass sie zwar mindestens 3 Milliarden Euro sofort brauche, aber dass diese ja in den folgenden fünf bis zehn Jahren in Form von Steuergutschriften wieder erstattet werden könnten. Aus der Steuer wurde also eine Zwangsanleihe der Banken an den Staat. Doch auch gegen diese stark verwässerte temporäre Abgabe liefen die Finanzinstitute hinter den Kulissen Sturm.
In der Folge zauberte Meloni in diesen Tagen eine neue, diesmal definitive Lösung aus dem Hut: Statt die Steuer an den Staat abzuliefern, können die Banken nun mit dem Zweieinhalbfachen des Betrags ihre eigenen Kapitalpuffer stärken. Die Idee ist zweifellos sinnvoll, nur: Eine weitere Stärkung ihrer Kapitalbasis hatten die in diesem Jahr in ihren Profiten schwimmenden Banken unabhängig von der Steuer ohnehin schon beschlossen.
Das Resultat: Keine einzige italienische Bank wird auch nur einen Cent Übergewinnsteuer zahlen – nicht einmal die verstaatlichte ehemalige Pleitebank Monte dei Paschi di Siena und die Staatsbank für die Entwicklung des Südens, die Mediocredito Centrale, sind bereit, Finanzminister Giancarlo Giorgetti ein wenig unter die Arme zu greifen. Lieber beglücken die Finanzinstitute ihre Aktionäre: Allein die beiden größten Banken Italiens, Intesa San Paolo und Unicredit, haben in diesen Tagen Dividendenausschüttungen zwischen 5,8 und 6,5 Milliarden Euro angekündigt. Die Mailänder Zeitung "Corriere della Sera" bezeichnete das Vorprellen und den anschließenden Rückzieher der Rechtsregierung bei der Übergewinnsteuer als "Farce".
Der Flop der Übergewinnsteuer hat immerhin die enorme, auch politische Macht der Banken in Italien aufgezeigt. Das hat vor allem mit der hohen Verschuldung des Landes zu tun, die sich auf beinahe 3 Billionen Euro beläuft. Die einheimischen Geschäftsbanken und die EZB zählen zu den wichtigsten Kreditgebern des italienischen Staats. Sollten die Banken beim Kauf italienischer Staatsanleihen zurückhaltender werden, könnte dies für die Finanzierung des Staats sehr unangenehme Folgen zeitigen.
Das Eis, auf dem sich Finanzminister Giorgetti bewegt, ist dünn: Mit Bangen wartet Rom am Freitag auf das Urteil der Ratingagentur Moody’s. Die Agentur stuft Italiens Staatsanleihen schon bisher nur eine Stufe über Ramschniveau ein. Und das peinliche Hin und Her bei der Übergewinnsteuer hat das Vertrauen der Finanzmärkte in Italien nicht gestärkt.