General Tarnavskyi sagte, dass es dem Land an Artilleriegranaten mangele, insbesondere für seine Waffen aus der Sowjetzeit. "Die Mengen, die wir haben, reichen für unseren Bedarf nicht aus", sagte er. "Also verteilen wir es neu. Wir planen Aufgaben, die wir uns selbst gestellt haben, neu und verkleinern sie." Er sagte, dass die Verringerung der ausländischen Militärhilfe bereits Auswirkungen auf das Schlachtfeld habe und eine Änderung der Taktik erzwinge. "In einigen Bereichen sind wir in die Verteidigung übergegangen, in anderen setzen wir unsere Offensivaktionen fort."
Seine Äußerungen erfolgen im Zuge von Rückschlägen sowohl seitens der EU als auch in den USA in Form von Militärhilfen. Die Republikaner im US-Kongress blockierten Anfang dieses Monats erstmals ein Militärpaket in Höhe von 60 Milliarden US-Dollar für die Ukraine. Darauf folgte eine Blockade der EU-Finanzmittel durch Ungarn in Höhe von 50 Milliarden Euro. Die Ukraine war bereits zuvor mit einem Munitionsmangel konfrontiert, da die westlichen Verbündeten Schwierigkeiten hatten, die Versorgung aufrechtzuerhalten. Die EU hat zugesagt, bis März 2024 eine Million Artilleriegeschosse zu versenden, doch bisher wurden nur 480.000 entweder geliefert oder sind in Vorbereitung.
Mittlerweile haben die USA der Ukraine mehr als zwei Millionen 155-mm-Granaten für den Einsatz in westlichen Artilleriesystemen zur Verfügung gestellt. Doch die eigenen Vorräte sind erschöpft, was im vergangenen Sommer zu der Entscheidung führte, Streumunition zu versenden. Die Ukraine verbraucht Munition bereits schneller, als Partner sie produzieren können. Einem Bericht des estnischen Verteidigungsministeriums zufolge benötige Kiew mindestens 200.000 Artilleriegeschosse pro Monat, um einen Vorsprung gegenüber Russland zu behalten.
"Die Aufrechterhaltung dieser Rate wird im Laufe des Jahres 2024 die Lagerbestände in Europa und den USA erschöpfen und erhebliche Munitionskäufe aus dem Ausland erfordern", heißt es aus dem Ministerium. Der stellvertretende Verteidigungsminister der Ukraine, Ivan Havryliuk, sagte, dass das Land die Produktion von Kamikaze-Drohnen hochfahre, "um den Mangel an Artilleriegranaten auszugleichen". Darüber hinaus wurde die eigene Produktion von Artilleriegeschossen "für fast die gesamte Reichweite" erhöht. Das Land hoffe, seine Verteidigungsindustrie durch die gemeinsame Produktion von Munition mit westlichen Unternehmen auf ukrainischem Boden anzukurbeln.
Die US-Regierung hat derweil eigenen Angaben nach noch Mittel für ein weiteres Militärhilfepaket für die Ukraine in diesem Jahr. "Aber wenn das erledigt ist (...) muss der Kongress unverzüglich handeln", sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, am Montag in Washington. Nur dann könne das von Russland angegriffene Land seinen Kampf für die Freiheit fortsetzen. Eine genaue Zahl, wie viel Geld noch für Militärunterstützung für die Ukraine zur Verfügung steht, nannte Kirby nicht.
Die USA gelten als wichtigster Verbündeter der Ukraine im Abwehrkampf gegen die russische Invasion. Seit Kriegsbeginn im Februar 2022 haben die USA unter Führung des demokratischen Präsidenten Joe Biden militärische Hilfe in Milliardenhöhe für Kiew bereitgestellt oder zugesagt. Die Freigabe weiterer Mittel wird derzeit von einem Streit im US-Parlament zwischen Republikanern und Demokraten blockiert. Die Republikaner stehen der Bewilligung neuer Hilfen im Weg, weil sie von Biden im Gegenzug eine Verschärfung der Asylpolitik in den USA fordern.